2 0 T L A H N I 4 0 PERSPEKTIVEN. Der Titel des Magazins der Metall- und Elektro-Industrie ist ein VERSPRECHEN: Es geht um STANDPUNKTE, MEINUNGEN und STIMMEN der M+E-Arbeitgeber, aber auch um ANDERE BLICKWINKEL auf das, was bewegt. GESAMTMETALL wünscht Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre. 2 2 2 2 2 2 3 KOMMENTAR 0 BDI-Präsident Siegfried Russwurm über das, was die Politik jetzt für die Industrie tun sollte 4 TARIFABSCHLUSS 2021 0 Welche Einigung Gesamtmetall und Gewerkschaften erzielt haben 8 AGENDA 0 Meldungen und Standpunkte aus Wirtschaft, Politik und M+E-Industrie 1 SICHT:WEISE 1 Drei Stimmen zur Frauenquote 0 NETZTEIL 1 Unser Fundstück aus dem Netz 2 TITELTHEMA 1 Was ist eigentlich gute Industrie- politik? Und inwiefern sollte der Staat die Industrie unterstützen? Was Wirtschaftsexperten und Politiker dazu sagen, welche Rolle die Industrie in Deutschland traditionell spielt und wie sie sich entwickelt 2 DEBATTE 2 CDU-Bundesvorsitzender und Unions- Kanzlerkandidat Armin Laschet und Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf im Gespräch über Industriepolitik 7 BILDUNG 2 Wozu braucht man eigentlich die Zahl Pi? Ein Selbsttest 8 PERSPEKTIVE 2 Wie sich die M+E-Industrie entwickelt und warum die Erwartungen hoch sind 0 RETROSPEKTIVE 3 Was wurde aus dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz? 2 3 7 PERSONALIEN 0 IMPRESSUM 1 KARIKATUR 2 ZITAT 3 3 3, Wunderzahl: Die Zahl Pi kennt jeder? Ob das stimmt, zeigt sich beim Wissenstest. S. 27 1415926535 8979323846 2643383279 5028841971 6939937510 5820974944... T R E T I I E M A D U A L C N O T A R T S U L L I ; I H C S I R W A G E N E L R A M ; L L A T E M T S E W D Ü S : S O T O F : 3 – 2 E T I E S S E G A M I Y T T E G / I S S O R R E V I L O ; C E T O R E A M U M E R P : I R E V O C : R E V O C

Ast. Absägen. Ihr wisst schon. 2 1 Ohne Industrie kein Wohlstand. 3 Die Verhandlungen 4 1. Werben für die eigene Sache: Die Plakat­ kampagne der IG Metall ... 2. ... neben dem Plakat von Gesamtmetall. 3. Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter IG Metall Baden­ Württemberg, zeigt sein Kochtalent. 4. Verhandlungsauftakt bei Südwestmetall. 5. vbm­Verhandlungs­ führerin Angelique Renkhoff­ Mücke und Bezirksleiter IG Metall Bayern Johann Horn beim Verhandlungsauftakt in Bayern. 6. Gespräche im hohen Norden: Lena Ströbele, Nordmetall­Verhandlungs­ führerin, und Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste. 5 6

Kurz erklärt 221 in der Metall- und Elektro-Industrie 6 0 A D N E G A 01 JAN 2021 3 0 S E P 2 0 2 2 Laufzeit und Entgelt Arbeitszeitabsenkung im Strukturwandel Zukunfts- tarifverträge 01 JAN 2022 31 DEZ 2022 31 DEZ 2024 Absenkung der Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden (bzw. 38 auf 35/32 Stunden) pro Woche. Durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung bis zu 12 Monate möglich. Und bis zu 36 Monate mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien* gegebenenfalls Bestandsaufnahme Teilentgeltausgleich durch Anteile von Beschäftigten und Arbeitgebern Daneben gilt die bisherige Regelung nach TV Besch für Arbeitszeitabsenkung bei konjunkturellen Krisen für max. 12 Monate Beratung und ggf. Analyse Beschäftigte Transformations- geld, T-ZUG** (B), T-ZUG** (A), Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld Entscheidung der Betriebs- parteien 0 MONATE 12 MONATE 24 MONATE 36 MONATE Arbeitgeber 25 % 32 (35) 25 % 33 (36) ggf. Moderation 50 % 32 (35) Zukunfts- tarifvertrag Ende des Prozesses Corona-Beihilfe 500 Euro im Juni 2021 Transformationsgeld 18,4 % des Monatsentgelts im Februar 2022 27,6 % des Monatsentgelts ab Februar 2023 2021 Automatische Differenzierung des T-ZUG** (B) * Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen während der Laufzeit ** Tarifliches Zusatzgeld PERSPEKTIVEN 02_2021 I G Z R E H / L L A T E M N E S H C A S R E D E N I ; N N A M E S A P / E M V ; I M E H T N E B T F A H C S F A R G , D N A L S M E , K C Ü R B A N S O E P P U R G S T R O L L A T E M N E S H C A S R E D E N I ; L L A T E M N E S S E H ; E G N U R ; W R N L L A T E M ; S E G A M I Y T T E G : S O T O F

8 0 Gesamtmetall zur Bundestagswahl Einhaltung des 40-Prozent-Ziels hat höchste Priorität der nächste Deutsche Am 26. September 2021 wird der nächs Bundestag gewählt. Für die Unternehm und Elektro-Industrie steht dabei vie Die vergangenen vier Regierungsjahr dustriestandort Deutschland nicht vo Neben zu hohen Energiekosten und U steuern wurde die notwendige Flexib Arbeitsmarkt eingeschränkt, die Sozials explodierten aufgrund von unnötigen ken wie der Grundrente oder der Mü Folge sind langfristig steigende Sozial beiträge und damit auch steigende Arb Für die neue Bundesregierung sollte a all höchste Priorität haben, die Sozial­ beiträge dauerhaft unter 40 Prozent zu halten. Dafür dauerhaft unter 40 Prozent ristige Stabilisierung und Modernisie- zialen Sicherungssysteme notwendig. Auf er neuen Bundesregierung sollten zu- chaftliche Neustart nach der Corona- e Bewältigung des Strukturwandels, die Abkehr von der massiven Neuverschuldung und Rück­ der massiven Neuverschuldung und ausgeglichenen Haushalt sowie der kehr zu einem ausgeglichenen Haushalt zwingend notwendige Ausgleich zwischen wirtschaft- endige Ausgleich zwischen wirtschaft erbsfähigkeit und verschärftem Klima licher Wettbewerbsfähigkeit und verschärftem Klima- schutz gehören. Gesamtmetall wird sich im Wahljahr Gesamtmetall wird sich im Wahljahr Ziele mit aller Kraft einsetzen. 2021 für diese Ziele mit aller Kraft einsetzen. Bildung Ausbildungmarkt leidet unter Corona Die Corona-Pandemie zeigt auf dem Ausbildungsmarkt deutliche Spuren. Trotz großen Engagements der Be- triebe ging die Zahl der neuen Ausbil­ dungsverträge in den M+E-Berufen um 13,5 Prozent auf 68.080 Verträge zu­ rück. Allerdings konnten mindestens 6000 freie Ausbildungsplätze nicht be- setzt werden. Die technischen IT-Beru- fe verzeichneten mit einem Minus von 6,3 Prozent die geringsten Verluste und lagen mit 16.499 neuen Ausbildungs- verträgen auf dem Niveau des Jahres 2018. Die meisten Verträge gab es wie- der bei den Fachinformatikern (15.082), den Industriemechanikern (10.652) und den Mechatronikern (7.484). Diese Entwicklung spiegelt auch den Struk-uk turwandel in der Branche wider: Ne- ben gut ausgebildeten Facharbeitern in den klassischen Berufen der Branche sind vor allem Fachleute mit IT­ITIT Kennt­ nissen gefragt, die die Digitalisierung voranbringen. Neue Ausbildungsverträge in ausgewählten M+E-Berufen Stand jeweils zu 31.12. d.J. / Prozentangabe Veränderung 2020 zu 2019 15.000 13.000 11.000 9.000 7.000 5.000 3.000 2016 PERSPEKTIVEN 02_2021 15.082 Fach- informatiker/-in – 8,3 % 10.652 7.484 6.253 4.020 2017 2018 2019 2020 Industrie- mechaniker/-in – 15,9 % Mechatroniker/-in – 13,6 % Elektroniker/-in für Betriebstechnik – 12,8 % Zerspannungs- mechaniker/-in – 35,9 % g a t r e m m a k s l e d n a H d n u - e i r t s u d n I r e h c s t u e D : e l l e u Q

0 1 A D N E G A Sicht:Weise Frauenquote: Symbolpolitik oder Zukunftsmodell? Braucht es eine Frauenquote für gesellschaftlichen Wandel? Die Frage, ob sie Gerechtigkeit schafft oder gar ungerecht ist, polarisiert »Mehr Frauen in Vorständen schaffen mehr Gerechtigkeit und Modernisierung: Denn Unternehmen mit diversen Teams an der Spitze sind erfolgreicher und innovativer.« »Gleichberechtigung beginnt mit Bildung. Hier sind junge Frauen längst im Vorteil. Das ändert die berufliche Ausgangslage und vieles mehr.« Juliane Seifert, Staatssekretärin im SPD-geführten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Thomas Bauer, Aufsichtsratsvorsitzender der Bauer AG 11 Prozent Frauen und 89 Prozent Männer: So ist das Verhältnis in Vor- ständen der großen deutschen Unter- nehmen und es ist seit Jahrzehnten nahezu stabil. Dabei belegen Studien, dass mehr Frauen in Vorständen zu nachhaltigerem Geschäftserfolg, einer besseren Aktienkursentwicklung und mehr Innovation führen. Schließlich bereichert eine Vielfalt von Sichtwei- sen, Erfahrung und Wissen jedes Füh- rungsteam. Die Mindestbeteiligung von Frauen in großen Vorständen im Zwei- ten Führungspositionengesetz beant- wortet eine Gerechtigkeitsfrage, schafft neue „Role Models“ für eine nachhal- tige und gute Unternehmensführung und trägt zu einem kulturellen und strukturellen Wandel unserer Wirt- schaft in einer globalisierten Welt bei. Frauen und Männer sind in ihren Fä- higkeiten gleich! Das sieht heute fast jeder so. Es gibt trotzdem in vielen Bereichen große Unterschiede be- züglich der Genderverteilung bei Be- rufen; so ist das in Grundschulen, in der Medizin und Vorständen der Fall. Quoten ändern die Interessen nicht und auch nicht die Berufsentschei- dungen vor 30 Jahren und so die jetzt fehlenden Technikerinnen. Sie er- zeugen nur Ungerechtigkeiten. Auch Männer können gute Personalvor- stände sein. Auch Sie haben darauf ein Leben lang hingearbeitet. Qualifikation und Verfügbarkeit muss der Maßstab sein. Eine freie Gesellschaft hält das aus, dass sich Frauen beruflich anders orientieren als Männer. Das hat mit Gleichbe- rechtigung nichts zu tun. »Das Problem politischer Frauenförderung besteht darin, dass suggeriert wird, Karriere könne gesetzlich verordnet werden.« Jana Schimke, Bundestagsabgeordnete für die CDU Die Frauenquote zählt zu den Rezepten der Abteilung „Symbol­ politik“. Ein Sitz im Aufsichtsrat oder Vorstand ist der Höhepunkt einer stetigen Karriere. Die Weichen dafür werden frühzeitig gestellt. Eine Vor- standsquote hilft aber keiner jungen Mutter, die sich im Job durchsetzen muss. Wer Frauenförderung ernst nimmt, der setzt da an. Politik gibt den Rahmen vor durch eine Familien­ politik, die Väter in die Familienarbeit einbezieht und durch einen klaren gesetzlichen Rahmen gegen Diskri­ minierung. Doch gehen müssen Frau- en ihren Weg selbst – bei der Diskus- sion, wer die Kinder betreut, oder der Ansprache dem Chef gegenüber. Wir sollten uns ehrlich machen und auch die Soll-Seite von Karriere beleuch- ten – für mehr erfolgreiche Frauen in der Wirtschaft. D A R N O K A T T I R B ; G A R E U A B ; R E L E P P A K L E A H C M I | A P D / E C N A I L L A E R U T C I P : S O T O F

2 1 A M E H T L E T I T Aerotec Augsburg 180 Millionen Euro und ein neuer Global Player PERSPEKTIVEN 02_2021

4 1 A M E H T L E T I T I H B M G N O T A R T S I N M D A E T A R O P R O C I I S U R O T R A S : S O T O F ; P L R - W L V W M N Branchen und Wirtschaftszweige bewusst staat- A S lich beeinflusst wird, um soziale und ökologische O H Ziele voranzubringen, die der Markt allein nicht N A J / erreichen kann.“ FDP-Generalsekretär Volker Wissing sieht hingegen „jede Form der wirtschaft- lichen Tätigkeit des Staates kritisch“. In der Coro- na-Pandemie sei dieser Staatseinfluss „vorüber- gehend akzeptabel, aber er muss so schnell, wie es die Pandemie zulässt, zurückgeführt werden“. Die staatliche Bevorzugung von großen Konzernen führe zu einer Wettbewerbsverzerrung und einer Benachteiligung kleinerer und mittlerer Betriebe. „In der Sozialen Marktwirtschaft gilt: Der Staat legt die Rahmenbedingungen fest, erhebt Steu- ern und hält sich aber aus der Wirtschaft heraus.“ N E L L O S N E S R U G A R A M M A R G ; Erfolge und Fehlschläge Industriepolitik in Deutschland sei vor allem dann erfolgreich gewesen, „wenn sie sich auf das Ge- stalten der Rahmenbedingungen und der Stand- ortfaktoren konzentriert hat“, ist Volker Wissing überzeugt. „Eine interventionistische Politik mit Staatshilfen für einzelne Branchen oder Unter- nehmen erwies sich hingegen allzu oft als teuer Autointerieur aus der Oberpfalz: Grammer Campus und Technologie­ zentrum in Ursen­ sollen bietet Platz für 750 Mitarbei­ tende. Das Unter­ nehmen, das auf Sitzsysteme und Interieur für Au­ tos spezialisiert ist, hat 75 Millionen Euro investiert. Das Gelände soll Funktionen meh­ rerer Standorte vereinen. und wenig effektiv.“ Als Beispiel kann die Ret- tung des Baukonzerns Philipp Holzmann Ende der 90er-Jahre gelten. Zusammen mit Banken und Anteilseignern hatte der damalige Kanzler Gerhard Schröder mit einem Rettungsplan den Konkurs des Unternehmens abgewendet. Zwei- einhalb Jahre später folgte trotzdem das Aus. Erfolge gibt es im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE). In den vergangenen Jahr- zehnten wurden Forschungsaktivitäten in wich- tigen Innovations- und Technologiefeldern geför- dert, Lehrstühle eingerichtet, Forschungsinstitute aus öffentlichen Mitteln gestärkt. Erst 2020 wur- de in Deutschland eine steuerliche Forschungs- förderung für kleine und mittelgroße Unterneh- men eingeführt, die privatwirtschaftlich forschen und entwickeln. Auf Innovationen zu setzen, zahlt sich aus. Laut einem Forschungsbericht des In- stitutes der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2020 ist Deutschland heute einer der stärksten Innovations- und Forschungsstandorte. Für die kommenden Jahrzehnte gibt es viele Aufgaben, wie Dieter Janecek, Sprecher der Grü- nen im Bundestag für digitale Wirtschaft und In- Sartorius Göttingen Ein Campus für 500 Millionen Euro und für bald 3.500 Mitarbeiter

6 1 versprechende Rahmenbedingungen in Deutsch- land erfordern.“ Für Dieter Janecek von den Grünen rei- chen, wenn es um den Klimawandel geht, keine Absichtserklärungen der Politik. „Wenn ich mit Unternehmerinnen und Unternehmern im Ge- spräch bin, wollen sie zu Recht wissen, inwiefern sie dann vor massiven Wettbewerbsnachteilen ge- schützt werden.“ Ein wichtiger Punkt ist für den Grünen das Thema Strom. „Wenig braucht die In- dustrie für die Transformation jetzt so dringend wie grünen Strom. Günstigen grünen Strom. Da kommen wir auch nicht umhin, uns mit der Frage nach einem Industriestrompreis für einzelne In- dustrien auseinanderzusetzen.“ Zugleich sei eine CO₂-Bepreisung entscheidend, „die schnell und planbar näher an die ökologische Wahrheit ge- führt werden muss. Ein klar definierter Anstiegs- pfad für die kommenden Jahre schafft Berechen- barkeit und Investitionssicherheit.“ Die Industriestrategie 2019 hat das Bundeswirtschaftsministerium auf diese Herausforderungen reagiert und eine „In- dustriestrategie 2030“ für Deutschland entwi- ckelt. In Grundzügen beschreibt Bundeswirt- schaftsminister Peter Altmaier (CDU), dass es nötig ist, gute Bedingungen für die Unternehmen zu schaffen durch niedrige Unternehmenssteu- ern, günstige Energie und weniger Bürokratie. Au- ßerdem fordert er eine Höchstgrenze für Sozial- abgaben von 40 Prozent. Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0 und kli- maschützende und klimafreundliche Technolo- gien sollen vorangebracht und vor Übernahmen geschützt werden. Zur Not könne sich der Staat auch befristet an Unternehmen beteiligen. Eingriffe des Staates sollten für Hubertus Bardt vom IW aber klare Grenzen haben: „Beson- ders kritisch wird es auch immer dann, wenn poli- tische Entscheidungsträger glauben zu wissen, wie das Ergebnis des Wettbewerbs aussehen wird, und direkte Vorgaben machen wollen, wie sich einzelne Unternehmen entwickeln.“ Für FDP-Generalsekre- tär Volker Wissing lässt die Möglichkeit einer staat- lichen Beteiligung Deutschland zu nah an das Mo- dell der französischen Industriepolitik rücken. Die- ser Weg führe zu defizitären Haushalten und Insta- bilität. Frankreich, in dem die industriepolitische Tradition bereits im a Tradition bereits im absolutistischen Zeitalter begründet wurde, se begründet wurde, setzt seit jeher auf eine aktiv gestaltende In aktiv gestaltende Industriepolitik. Seit dem Zweiten Weltkri dem Zweiten Weltkrieg nahm das Land im Rahmen der Planifi im Rahmen der Planification Einfluss auf die Wirtschaft. Ein In die Wirtschaft. Ein Instrument: „gemischte Unternehmen“, getrag Unternehmen“, getragen von privatem und öffentlichem Kapital. öffentlichem Kapital. Fünf-Jahres-Pläne gibt K E C E N A J R E T E D I ; G I L L I K R E V I L O W V : S O T O F Industriepark für Elektroautos: Für 700 Millio­ nen Euro ent­ steht im Industrie­ park Meerane in Sachsen Platz für Logistik­ dienstleister und Autoindustrie. Perspektivisch sollen 2.000 neue Arbeits­ plätze entstehen. VW Zwickau (Foto) mietet eine 25.000 Quadrat­ meter große Logistikhalle für die Fertigung seines vollelektri­ schen ID.4. es dort zwar seit Mitte der 90er-Jahre nicht mehr, aber bis heute herrscht eine gewisse Offenheit für Staatseingriffe. Nationale Champions werden ge- fördert. Der staatliche Interventionismus erstreckt sich über öffentliche Forschung, öffentliche Unter- nehmen und öffentliche Aufträge. Ein Beispiel ist Airbus. Der Luft- und Raum- fahrtkonzern entstand aus einer Fusion der deut- schen DASA, der französischen Aérospatiale- Matra und der spanischen CASA. Während in Deutschland und Spanien aber privatwirtschaft- liche Unternehmen hinter den Partnern stehen, hält Frankreich als Staat 15 Prozent der Anteile des Konzerns. Auch wenn die Airbus-Gruppe ak- tuell der nach Umsatz weltweit größte Flugzeug- hersteller ist – insgesamt sieht die Bilanz der fran- zösischen Industriepolitik anders aus. Seit 1963 hat das Land fast die Hälfte seiner Industriear- beitplätze verloren (siehe Grafik). Ende der Planwirtschaft Planwirtschaft gibt es heute nur noch in Kuba und Nordkorea. China befindet sich noch auf dem Weg von der Planwirtschaft hin zu einer Markt- wirtschaft. Mit dem Programm „Made in China 2025“ fokussiert sich das Land auf High-Tech- Branchen und die Pharmaindustrie, die derzeit weitgehend von ausländischen Unternehmen be- herrscht werden. Das langfristige Ziel: 2049 will China stärkste Industrienation sein. Zu den Mit- teln gehören Übernahmen und gezielte Investiti- onen in ausländische Hochtechnologiefirmen, um sich Know-how anzueignen. Prominentes Beispiel ist die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Kühlschrank-Konzern Midea 2017. Vergeblich hat- te die Bundesregierung bei deutschen Unterneh- men für eine Beteiligung geworben. EU-Kommis- sar Günther Oettinger sprach sich nach der Über- nahme dafür aus, zu prüfen, was auf europäischer Ebene getan werden könnte, um Wertschöpfung und Forschung in Europa zu halten. Auf solche Übernahmetendenzen reagier- te die Europäische Union 2017 mit einer neuen industriepolitische Strategie, die im März 2020 konkretisiert wurde und die Vertiefung des »Wenig braucht die Industrie für die Transformation jetzt so dringend wie grünen Strom. Günstigen grünen Strom.« Dieter Janecek, er Janecek, Sprecher für digitale Wirtschaft und Industriepolitik für die Grünen und Industriepolitik für die Grünen

8 1 Tesla in Grünheide 5,8 Milliarden Euro und 40.000 Arbeitsplätze für die E-Mobilität Elektroautos aus Brandenburg Grüner Stahl bis 2050: Bis 2050 will Stahlriese ArcelorMittal klimaneutral produzieren. Dafür wird investiert – unter anderem mit der Beteiligung an Pro- jekten zum Aufbau einer eu- ropäischen Wasserstoffwirt- schaft. Insgesamt soll über eine Milliarde Euro an den deutschen Standorten inves- tiert werden. Profitieren wird auch der Standort Bremen (Foto), in den der Konzern seit 2015 mehr als 275 Millio- nen Euro gesteckt hat. ArcelorMittal 1 Milliarde Euro für grüne Zukunftstechnologie Binnenmarktes, die Digitalisierung und die kli- maschonende Kreislaufwirtschaft in den Fokus nimmt. Doch diese gemeinsame Strategie braucht angesichts der Lehren aus der Corona-Krise ein Update und stellt die Einigkeit auf eine Bewäh- rungsprobe. Denn im Vorfeld der Vorstellung war – laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – darüber, wieviel strategische Autono- mie die EU braucht, ein Streit entbrannt. Dieser reiche längst über den in Pandemiezeiten nahe- liegenden Bereich der Gesundheitsversorgung hi- naus. In der Debatte zwischen liberalen Staaten und vor allem Frankreich gehe es um nichts weni- ger als die Frage, wie stark sich die EU von ihrem Bekenntnis zu offenen Märkten verabschiedet. Der Ausblick Reiner Hoffmann vom DGB sieht solche Diskussi- onen auch positiv: „Gut ist, dass Industriepolitik überhaupt wieder auf der Agenda steht – sowohl in Deutschland als auch in der EU.“ Mit den Mit- teln zur Überwindung der Krise seien finanzielle Spielräume für aktive Industriepolitik geschaffen worden. Allerdings sei noch einiges zu tun, damit dieser Spielraum auch groß genug werde. Der Schuldenberg der Corona-Krise, demo- grafischer Wandel, Digitalisierung, Klimawan- del – die Herausforderungen für die Zukunft sind enorm. Deutschland könne es sich nicht leisten, in den wichtigen industriellen Zukunftsfeldern abgehängt zu werden, betonte Peter Altmaier bei der Vorstellung seiner Industriestrategie 2019. Doch die neuen Technologien und Entwicklun- gen seien nicht nur Herausforderungen. „Die Chancen, die sich bieten, sind enorm. Wir müs- sen sie nur nutzen.“ N E D E F E L T E D B G D / ; I G W S O J S A M O H T I / L A T T M R O L E C R A ; . C N I , A L S E T N O V G N U G M H E N E G R E H C I I L D N U E R F T I M : S O T O F

0 2 Das saggen die Parteien: Was macht für Sie gute Industriepolitik aus? ollen unsere Wirtschaft zu „Wir wollen unsere Wirtschaft zu neuer en und eine neue Dynamik ent Stärke führen und eine neue Dynamik ent- damit der Wohlstand wieder steigt fachen, damit der Wohlstand wieder steigt und sichere Arbeitsplätze entstehen. und sichere Arbeitsplätze entstehen. Wir wollen die Unternehmen durch weniger atie entlasten, schnelle Genehmigungs- verfahren ermöglichen, attraktive Bedingungen für Fachkräfte und bessere Bedingun äfte und bessere Bedingun- gen für Investitionen, Innovation und gen für Investitionen, Innovation und ation und Bildung schaffen.“ Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär „Wir brauchen eine Renaissance der Industriepolitik, damit wir uns im welt- weiten Spiel der Kräfte behaupten können. Gute Industriepolitik ist ein Bekenntnis zu „Made in Germany“: industrielle Basis stärk Innovationen investieren und auf ök logischen Fortschritt setzen. richtig ist: Neues Wachstum gibt es nur mit Entlasten statt Belasten.“ „Zukunftsfähige Industriepolitik schafft Grundlagen und setzt Rahmen. Grundlagen für Innovationen, die zum globalen Klimaschutz beitragen. Und einen Rahmen, der individuelles Wohlstandsstreben mit nachhalti ger Gemeinwohlorientierung verbindet. ger Gemeinwohlorientierung verbindet. Gelungene Industriepolitik schafft zukunftssichere plätze mit gutem Lohn, guten Arbeitsbedin guten Arbeitsbedin gungen und echter Mitbestimmung. gungen und echter Mitbestimmung. verbindet Wohlstand und Anstand.“ ohlstand und Anstand.“ Markus Blume, Markus Blume, Markus Blume, Markus Blume, CSU-Gener CSU-Generalsekretär CSU-Generalsekretär Dr. Norbert Walter-Borjans, Dr. Norbert Walter-Borjans, SPD-Parteivorsitzender SPD-Parteivorsitzender „Klimaneutralität ist die große „Klimaneutralität ist die große Chance für den Industriestandort Deutschland. ür den Industriestandort Deutschland. Gute Industriepolitik bringt Wohlstand und achstum mit Nachhaltigkeit und Gerechtig- eit zusammen. Die Wirtschaft braucht klare erhältnisse, verlässliche politische Rahmen- bedingungen und Anreize. Nur dann haben Unternehmen Planungssicherheit und Unternehmen Planungssicherheit und wissen, dass sich klimaneutrales, dass sich klimaneutrales, nachhaltiges Wirtschaften lohnt.“ Wirtschaften lohnt.“ Gute Industriepolitik ist für uns Freie Demokraten triepolitik ist für uns Freie Demo in erster Linie Ordnungspolitik: Diejenigen, die er Linie Ordnungspolitik: Arbeitsplätze und Steuereinnahmen schaffen, sollen in plätze und Steuereinnahmen schaffen, sollen in Deutschland faire Rahmenbedingungen vorfinden – umso Deutschland faire Rahmenbedingungen vorfinden – umso um nach der Krise schnell wieder auf Wachs mehr, um nach der Krise schnell wieder auf Wachs- tumskurs zu kommen. Dazu gehören eine maß tumskurs zu kommen. Dazu gehören eine maß- volle Besteuerung, bezahlbare Energiekosten volle Besteuerung, bezahlbare Energiekosten und eine moderne Infrastruktur. Wettbewerbs- und eine moderne Infrastruktur. Wettbewerbs- verzerrende Eingriffe des Staates zugunsten verzerrende Eingriffe des Staates zugunsten verzerrende Eingriffe des Staates zugunsten einzelner Unternehmen lehnen wir ab.“ einzelner Unternehmen lehnen wir ab.“ einzelner Unternehmen lehnen wir ab.“ Annalena Baerbock, Annalena Baerbock, arteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Parteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Michael Theurer, Michael Theurer, FDP-Präsidiumsmitglied FDP-Präsidiumsmitglied „Es braucht einen verbindlichen Zukunftsplan für die Industrie, der gemeinsam mit Ge die Industrie, der gemeinsam mit Gewerk schaften und Umweltverbänden en schaften und Umweltverbänden entwi ckelt wird. Ziel ist die CO2-freie Produktion bis freie Produktion bis 2040. Zu einem Zukunftsplan gehört, dass staat- 2040. Zu einem Zukunftsplan gehört, dass staat- liche Gelder an Garantien von Arbeitsplätzen, liche Gelder an Garantien von Arbeitsplätzen, Tarif- äge und verbindliche Investitionspläne ge verträge und verbindliche Investitionspläne ge verträge und verbindliche Investitionspläne ge verträge und verbindliche Investitionspläne ge verträge und verbindliche Investitionspläne ge äge und verbindliche Investitionspläne ge bunden werden. Wir wollen, dass Betriebs dass Betriebsräte räte bunden werden. Wir wollen, dass Betriebs dass Betriebs in wirtschaftlichen Fragen mitbestimmen.“ in wirtschaftlichen Fragen mitbestimmen.“ in wirtschaftlichen Fragen mitbestimmen.“ agen mitbestimmen.“ agen mitbestimmen.“ agen mitbestimmen.“ „Ordnungspolitik ist die beste Industriepolitik. Aufgabe des Staates ist es, den rechtlichen Rahmen für fairen Wettbewerb und gleichberechtigten Marktzugang zu gewährleisten. Der Versuch, unternehmerische Ent- scheidungen oder bestimmte Produkte und Tech- nologien nach politischen Vorgaben und schen zu steuern oder zu verhindern, schen zu steuern oder zu verhindern, regelmäßig zu falschen Weichenstellungen eichenstellungen eichenstellungen und zur Fehlallokation von Ressourcen.“ ehlallokation von Ressourcen.“ Jörg Schindler, Bundesgeschäftsführer Bundesgeschäftsführer der Linkspartei Dr. Alice Weidel, AfD-Fraktionsvorsitzende

2 2 E T T A B E D »Wir brauchen ein Entfesselungspaket für Deutschland« CDU-Kanzlerkandidat ARMIN LASCHET und Gesamtmetall-Präsident STEFAN WOLF über eine moderne Industriepolitik, die Klimapläne der Parteien und die Notwendigkeit eines neuen europäischen Wettbewerbsrechts. Herr Laschet, Herr Wolf, wozu braucht Deutschland eine staatliche Industriestrategie? Armin Laschet: Wir wollen in Europa schneller klimaneutral werden als bisher geplant. Trotz- dem müssen wir alles tun, um ein Industrieland zu bleiben. Das ist extrem ambitioniert. Deutsch- land ist da viel stärker gefordert als andere Län- der Europas, die gar keine Industrie mehr haben. Dazu kommt: Nur wir steigen gleichzeitig aus der Steinkohle, der Braunkohle und der Kernenergie aus. Dennoch brauchen wir verfügbaren und be- zahlbaren Strom. Unsere Industrie hat also eine riesige Umstellung vor sich. Der Staat muss die Wirtschaft dabei unterstützen. Deshalb brauchen wir eine neue Industriepolitik. Stefan Wolf: Wir reden von Investitionen in einem Strukturwandel, wie wir ihn in den vergangenen hundert Jahren nicht hatten. Es ist eine indust- rielle Revolution. Anders als früher sind diesmal der Staat und die Staatengemeinschaft die Trei- ber der Entwicklung. Deshalb tragen sie auch eine besondere Verantwortung dafür, dass die Bedin- gungen stimmen. Wenn es gut geht, werden deut- sche Industrieunternehmen mit ihren Produkten einen entscheidenden Beitrag leisten können, den CO₂-Ausstoß global zu reduzieren. Wie sieht die richtige Politik aus? Laschet: Wir müssen bei jeder Entscheidung ab- wägen: Ist das Ordnungsrecht angemessen, indem man etwas verbietet oder klare Grenzen setzt? Ist es vernünftiger, mit Anreizsystemen zu arbeiten? Oder entscheidet man sich für eine direkte Unter- stützung im Strukturwandel? Beim Stahl beispiels- weise geht es nicht um Ordnungsrecht oder Anrei- ze, da muss der Staat finanziell unterstützen. Bei anderen kann man Rahmenbedingungen setzen, PERSPEKTIVEN 02_2021 Armin Laschet ist Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen und Kanzlerkandidat der Unionsparteien für die Bundestagswahl am 26. September. Seit Januar 2021 ist er Vorsitzender der CDU. Der katholi- sche Jurist und Jour- nalist stammt aus Aachen, wo er bis heute mit seiner Familie lebt. Stefan Wolf Der promovierte Jurist ist Vorstands- vorsitzender bei ElringKlinger, einem Automobilzulieferer mit 10.000 Mit- arbeitern weltweit. Seit Ende Novem- ber 2020 ist Wolf Präsident von Gesamtmetall. die dann Impulse bei Ingenieuren und Technikern freisetzen. Und beim Dritten regelt es der Markt. Wer weiß, ob der erste, der zweite oder der dritte Weg richtig ist? Wolf: Wir in unserer Industrie tun selbst extrem viel. Unsere innovativen Technologien im Bereich brennstoffzellenelektrische oder batterieelektri- sche Fahrzeuge zeigen das oder die gewaltigen Investitionen im Maschinen- und Anlagenbau. In meinem Unternehmen zum Beispiel brauche ich für die Zylinderkopfdichtung des Verbrennungs- motors völlig andere Maschinen als für die Stacks der Brennstoffzelleneinheit. Diese Umstellung ist immens. Ich finde es gut, wenn ein Staat dosiert und zielgenau sagt: Wir unterstützen diesen Pro- zess, den wir im Unternehmen gestalten. Im End- effekt geht es darum, Arbeitsplätze und Wohl- stand zu erhalten. Warum kann nicht ein einfaches und neutrales Instrument wie der CO2-Preis die Revolution regeln? Laschet: Nehmen wir noch mal die Stahlindus- trie. Sie muss sich komplett umstellen, von der Energiegewinnung aus Kohle hin zu Wasserstoff. Das können Unternehmen wie ThyssenKrupp oder Salzgitter in der nötigen Geschwindigkeit aus eigener Kraft nicht leisten. Wir müssen also eine Systementscheidung treffen: Wollen wir eine weltweit wettbewerbsfähige Stahlindustrie oder verzichten wir darauf, in Deutschland Stahl zu produzieren? Ich halte es für richtig, dass der Staat beim Übergang in der Technologie hilft – sich aber nicht in die Rettung einer Firma ein- mischt oder Unternehmensanteile übernimmt. Das Gleiche gilt für die Automobilindustrie und deren Zulieferer bei der Umstellung auf die H C S I R W A G E N E L R A M : O T O F

4 2 E T T A B E D Elektromobilität. Hier leistet der Staat seinen Anteil zum Beispiel im Aufbau der Lade-Infrastruktur. Wolf: Ich würde es für einen verheerenden Fehler halten, wenn Deutschland aus der Stahlproduktion ausstiege. Sich komplett vom Ausland abhängig zu machen, wäre grund- falsch. Wenn die Unternehmen jetzt in eine strukturelle Kri- se geraten, muss ein Staat sagen dürfen: Das ist ein ganz wichtiger Rohstoff. Wir unterstützen, dass dieses wirklich essenzielle und wichtige Gut weiterhin in Deutschland pro- duziert werden kann. »Es darf nie wieder eine Situation eintreten, in der wir wegen billigster Stoffmasken abhängig sind von einer externen Macht.« Armin Laschet zu internationalen Abhängigkeiten Warum muss die Allgemeinheit diesen Wandel bezahlen – die Unternehmen verdienen doch viel Geld im Moment, und überall in der Welt suchen private Anleger verzweifelt nach lohnenden Investitionen? Laschet: Weil wir in einer anderen Phase sind. Der Staat und nicht der Markt hat den Impuls gegeben, vom Verbrennungs- motor zur Elektromobilität oder irgendwann zur Wasser- stofftechnologie überzugehen. Deshalb ist die Politik auch in der Pflicht, einen verlässlichen Rahmen zu schaffen. In- nerhalb dieses Rahmens investieren die Unternehmen selbst und sind natürlich in ihren Entscheidungen auch frei. Wolf: Ich glaube auch nicht, dass die Antworten von früher heute immer funktionieren. Wir haben ja nicht nur die Kli- mafrage, wir haben die Digitalisierung und die Auseinan- dersetzungen zwischen unseren Handelspartnern. Diese Herausforderungen überlagern einander und sind ohne die Kooperation zwischen Staaten und Unternehmen nicht zu lösen. Deutsche und europäische Unternehmen konkurrie- ren mit den USA und China. Beide Handelsblöcke machen ganz klare Industriepolitik im eigenen Interesse. Auch dar- auf müssen Deutschland und Europa eine Antwort finden. Sie müssen die Kooperation untereinander fördern und dür- fen sie nicht behindern. Und sie müssen die Unternehmen von Kosten und Bürokratie entlasten, damit sie in diesem Wettbewerb bestehen können. Laschet: Die Beschäftigten wollen auch in fünf oder 15 Jah- ren noch einen Arbeitsplatz haben, gut in Deutschland leben und sich etwas leisten können. Das schaffen wir nur, wenn wir unsere Wirtschaftsstruktur erhalten und für die Zukunft rüsten. Familienunternehmen sind das Rückgrat dafür. Un- ternehmer, die bereit sind, dieses Risiko zu tragen, müssen auch Geld verdienen dürfen. Nur dann können sie investie- ren. 90 Prozent des Gewinns werden in diesen Firmen re- investiert, und zwar genau in diese neuen modernen Techno- logien. Klimaschutz ist wichtig, wir stehen zu 100 Prozent zu den Klimazielen, aber wir müssen das in Einklang bringen mit Wohlstand, Arbeitsplätzen und Zukunftsinvestitionen. Bedeutet das in letzter Konsequenz nicht auch, dass sich Europa aus der Globalisierung verabschiedet und wieder auf nationale und europäische Produktion setzt? Wolf: Im Gegenteil. Wir werden die Globalisierung nicht zu- rückdrehen, das macht keinen Sinn. Aber dass wir wieder ein bisschen nationaler oder vielleicht auch europäischer den- ken, haben wir schon gelernt. Nicht nur wegen der Klima- debatte, sondern auch als eine Folge der Corona-Pandemie. Laschet: Wir wollen uns nicht nach innen wenden. Europa braucht mehr Abkommen, auch Freihandelsabkommen mit anderen Regionen in der Welt. Aber es gibt ein paar Berei- che, in denen wir nicht abhängig bleiben dürfen. Es darf nie wieder eine Situation auftreten, in der wir wegen billigster Stoffmasken abhängig sind von einer externen Macht. In vie- len anderen Bereichen müssen wir die Rahmenbedingungen H C S I R W A G E N E L R A M : S O T O F

6 2 E T T A B E D »Ich glaube, dass wir ein transatlantisches Freihandelsabkommen brauchen.« sches Freihandelsabkommen brauchen, und unter der neuen US-Administration gibt es auch die Chance, das noch mal anzupacken. Mit China haben wir im Dezember ein Inves- titionsabkommen geschlossen. Auch wenn nicht sicher ist, ob es am Ende gelingt: Es zeigt, wie stark Europa sein kann, wenn es sich einig ist. Wir müssen in der Welt so viel freien Handel wie möglich machen. Armin Laschet zur Neuausrichtung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen Brauchen wir denn deutsche und europäische Industrie­ champions, für die der Staat Geburtshilfe leistet? Laschet: Erst einmal brauchen wir eine moderne Wettbe- werbsregulierung, die zulässt, dass sie überhaupt entstehen. Da ist eine Nachschärfung im europäischen Recht erforder- lich. Im Ergebnis brauchen wir starke Champions, die in der Welt wirken. Wenn die im Binnenmarkt kooperieren, muss das möglich sein. Wolf: Das sehe ich genauso. Kooperation können wir sehr gut selber organisieren. Aber die Politik muss eine zeitge- mäße Regulierung dafür finden. Wenn wir in Europa ernst genommen werden wollen, müssen wir uns einigen und nach außen auch entschieden auftreten. Es gibt den europäischen Plan, eigene Speicherchip­ Fabrikationen aufzumachen, eine Batterie­Initiative und einen europäischen Anlauf beim Wasserstoff. Ist das etwas anderes als staatlich gelenkte Deglobalisierung? Wolf: Es ist das Gegenteil. Der Staat soll schon dabei sein, und er soll entsprechende Innovationen fördern, um Euro- pas Position in der Weltwirtschaft zu stärken. Das findet ja in Deutschland auch statt. Wie soll sich Europa in einem Handelskonflikt USA – China aufstellen? Laschet: Europa muss seine Handelsbeziehungen selbst ordnen. Ich glaube immer noch, dass wir ein transatlanti- Was ist wichtiger, China oder USA? Wolf: Die sind beide wichtig. Wir wären in der Industrie natürlich heilfroh gewesen, wenn wir in der Zeit Donald Trumps TTIP gehabt hätten. Wird es denn einen neuen Anlauf geben, wenn die Grünen in der nächsten Bundesregierung vertreten sind? Laschet: Wir werden alles dafür tun. Es wird mühsam, ohne Zweifel. Aber deshalb muss man diese klaren Prinzipien ja erst mal haben, ehe man in eine Bundesregierung hineingeht. Und die Alternativen müssen auch vor der Wahl klar sein. Herr Laschet, alles, was Sie in der Industriepolitik vorhaben, kostet sehr viel Geld. Auf der anderen Seite will die CDU nach 2022 zur Schuldenbremse, die Sozialabgaben bei 40 Prozent deckeln und auf keinen Fall Steuern erhöhen. Wie kann man diese Rechnung auflösen? Laschet: Erstens kosten viele der Themen, die wir angespro- chen haben, kein Geld, sondern betreffen Rahmenbedingun- gen. Und zweitens werden wir nach der Krise Wirtschafts- wachstum haben und dadurch zu Mehreinahmen und zu mehr Beschäftigung kommen. Das geht aber nur, indem man Bürokratie und anderes wegnimmt, Entfesselungspakete macht und Liquidität in den Unternehmen erhält. Wir ge- ben im Moment Geld in die Unternehmen, damit sie Liqui- dität haben. Es wäre verrückt, ihnen das nach der Pandemie durch Steuererhöhungen wieder zu entziehen. Das Gespräch moderierte Ursula Weidenfeld R E D H E R N E T S R A C | / A P D E C N A I L L A E R U T C Armin Laschet und Stefan Wolf waren sich einig: Eine moderne Industriepolitik schafft einen verlässlichen Rahmen für die Wirtschaft bei Strukturwandel und Klimazielen, engt sie aber nicht ein. I P ; I G N R E U H C S R E N R E W / K H D I ; H C S I R W A G E N E L R A M : S O T O F

8 2 i t k e P s r e P e Hoffnung auf erholung v Die Corona-Pandemie hat die Metall- und Elektro-Industrie im Jahr 2020 in eine weitere schwere Rezession gestürzt. Alle wesentlichen Kennzahlen bei M+E sind für 2020 tiefrot gefärbt. Umso größer ist die Erwartung, dass 2021 eine spürbare Erholung eintritt A llerdings begann das Jahr 2021 für die M+E- Industrie mit einigen Schwierigkeiten: Liefer- probleme bei Halbleitern und Mikrochips be- hinderten die Produktion vor allem in der Auto- mobilindustrie. Der Lockdown in der zweiten Corona-Welle betraf zwar die Industrie nicht direkt, aber a-Welle betraf zwar die Industrie nicht direkt, aber a- geschlossene Schulen und Kitas zwangen viele Eltern, zu Hause zu bleiben. Entsprechend meldete bei der fünften Umfrage von Gesamtmetall im Januar 2021 rund ein Drit- tel der M+E-Betriebe, dass Personalmangel ihre Produktion in dieser Phase behindere. Und schließlich kamen ab März die Warnstreiks der IG Metall in der Tarifrunde 2021 hinzu. Exporte treiben Geschäft an Ende März begannen sich die Bremsen zu lösen: Die Tarif-rifrif parteien der M+E-Industrie haben am 30. März 2021 einen Tarifabschluss geschafft, der den Unternehmen für 21 Mo- nate Planungssicherheit und nur eine maßvolle zusätzliche Kostenbelastung bringt. Auch wenn die Lieferprobleme wei- terhin zu Produktionseinschränkungen führen, sind die Er- wartungen dennoch hoch, dass die M+E-Konjunktur sich im Laufe des Jahres weiter aus der Krise herausarbeiten kann. Die Auftragseingänge, ein wichtiger Vorbote der Konjunktur, sind seit Mai 2020 gestiegen. Vor allem die Exportmärkte, allen voran China und die USA, treiben das Geschäft an. Die Stimmung der Unternehmen ist seit Monaten aufwärtsge- richtet, die Geschäftserwartungen im Allgemeinen und die Produktions- und Exporterwartungen im Besonderen haben wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Alles in allem könnte die M+E-Produktion 2021 um etwa zehn Prozent steigen. Der Wermutstropfen dabei: Selbst dann ist der Einbruch durch die Corona-Krise noch lange nicht aufgeholt. Arbeitsplatzabbau gebremst Die Beschäftigung allerdings läuft der Entwicklung hinter- her. Noch sind die Betriebe gezwungen, die Zahl der Ar- beitsplätze zu reduzieren. Allerdings hat sich das Tempo des Abbaus verlangsamt: Statt rund 15.000 Arbeitsplätze wie im Durchschnitt der Monate April bis August waren es im vierten Quartal 2020 nur noch rund 5.000. Arbeitsplatz- abbau heißt in den meisten Fällen, dass frei werdende Jobs nicht mehr besetzt werden. Auch die Kurzarbeit in der M+E- Industrie hat sich seit ihrem Höchststand im Mai 2020 um fast drei Viertel reduziert, auf noch rund 470.000 im Januar 2021. Anders als in verschiedenen Dienstleistungssektoren kann bei M+E weiter mit einem Rückgang gerechnet werden. Was kann die weitere Erholung gefährden? Das größte Risiko liegt in der dritten Welle der Corona-Pandemie, die für die M+E-Unternehmen und ihre Mitarbeiter viele Un- wägbarkeiten und Belastungen bringt. Die Unternehmen sind bereit, ihren Beitrag zu Impfungen und Testungen zu leisten, um diese Gefahr endlich gemeinsam zu bannen. S E G A M I Y T T E G / E E D K A R , 2 8 1 O B M A R , I M U K N O F : I N E N O T A R T S U L L I Vorläufige Bilanz für 2020: Durchweg rote Zahlen für die Metall- ür die Metall- Beschäftigung 2020: Ø 3.946.000 –2,6 % t m a s e d n u B s e h c s i t s i t a t S : e l l e u Q Importe: –9,5 % Produktion: –14% 478,7 Mrd. Euro 2019 2020 2019 Auftragseingang: 2020 –8,5 % Exporte: –12,8 % 694,3 Mrd. Euro 2019 2020 2019 2020

0 3 E V I T K E P S O R T E R § Was wurde aus dem … Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist am 1. März dieses Jahres ein Jahr alt geworden. Sein Ziel ist, die Zuwanderung von gesuchten qualifizierten Fach- kräften aus Nicht-EU-Staaten („Drittstaaten“) durch ein modernes Regelungswerk zu erleichtern und damit einen Beitrag zur Fachkräftesicherung in Deutsch- land zu leisten. Die Corona-Pandemie und die dadurch ausge- löste Wirtschaftskrise haben jedoch das Thema Zuwanderung fürs Erste verdrängt. Stattdessen ging es im ersten Jahr der Gültigkeit dieses Gesetzes um die Sicherung bestehender Be- schäftigung. Ob das Gesetz – wie Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte – ein „Meilenstein der deutschen Migrations- politik“ werden kann, muss sich also noch zeigen. 30.000 Visa an qualifizierte Fachkräfte und Auszubildende aus Drittstaaten erteilt. Gleichzeitig haben mehrere Bundes- länder zentrale Ausländerbehörden und die Bundesagentur für Arbeit eine „Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung“ für interessierte Fachkräfte im Ausland eingerichtet. Denn viele Unternehmer hatten die Absicht des Gesetzgebers zwar sehr begrüßt, aber eine schlanke und unbürokratische Durch- führung gefordert. Klar ist aber auch: Die wesentlichen Zuwanderungsströ- me kommen nach wie vor aus den EU-Ländern – und sind damit unabhängig vom Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Die Bilanz des ersten Halbjahres 2020 zeigt, dass von 529.000 Zugezogenen 282.000 aus Staaten der EU-27 kamen. Immerhin: Trotz Pandemie und Krise haben die deut- schen Auslandsvertretungen laut Bundesministerium für Ar- beit und Soziales vom 1. März bis 31. Dezember 2020 fast Das Thema Fachkräftemangel wird mit Abflauen der Corona-Krise wieder deutlich an Relevanz gewinnen. Und damit auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Impressum Perspektiven ist das vierteljährlich erscheinende Magazin der Metall- und Elektro-Industrie, mit dem die hohe Relevanz der Themen und Argumente der M+E-Industrie für Wirtschaft und Gesellschaft herausgestellt und in die politische Diskussion eingebracht wird. Das Magazin versteht sich als Plattform für Informationen, Ideen und Meinungen und sucht den Diskurs mit anderen Stakeholdern. Es richtet sich an eine breite Leserschaft in der Politik, den obersten Behörden, Verbänden und der Wissenschaft. Herausgeber und Redaktionsanschrift: Gesamtmetall Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V. Voßstraße 16, 10117 Berlin Tel.: 030 55 150-0 E-Mail: perspektiven@gesamtmetall.de www.gesamtmetall.de Verlag: Axel Springer Corporate Solutions GmbH & Co. KG Axel-Springer-Straße 65 10888 Berlin Redaktion: V. i. S. d. P. Martin Leutz (Gesamtmetall), Iris Grundmann (Redaktionsleitung Gesamtmetall), Alexander Dennebaum (Gesamtmetall), Anika Berger, (Redaktion Axel Springer Corporate Solutions) Druck und Vertrieb: X-PRESS Grafik & Druck GmbH Nunsdorfer Ring 13 12277 Berlin ISSN-Nummer: 2703-0717 Fotoredaktion: Birgit Kohne Art-Direktion und Layout: twotype design, Hamburg Lektorat: Reiner Klähn Litho: Image-Pool, Berlin Herstellung: Silvio Schneider „Perspektiven“ erscheint viermal jährlich in einer Auflage von rund 3.500 Druck-Exemplaren. Wenn Sie „Perspektiven“ nicht mehr erhalten möchten, bitte eine kurze E-Mail an: perspektiven@gesamtmetall.de

»Deutschland ist mit seinen rund 23 Prozent industrieller Wertschöpfung am BIP und seinen europaweit höchsten Innovationsausgaben ein Beweis dafür, dass industrielle Wertschöpfung Zukunft hat. Addiert man die hoch wertigen industrie nahen Dienstleistungen hinzu, ohne die indu strielle Fertigung nicht existieren würde, steht die Industrie in Deutschland für circa 40 Prozent unseres Wohlstandes.« Sigmar Gabriel Bundesminister a. D., Berater und Publizist sowie ehemaliger SPD-Vorsitzender und Vizekanzler www.gesamtmetall.de