Laut dem Klimaschutzplan der Bundes-regierung möchte Deutschland bis 2030 mindestens 65 % seiner CO₂-Emissio-nen im Vergleich zum Jahr 1990 einspa-ren. Dass der Frachtgüter- und Personen-verkehr in den kommenden Jahren weiter zule-gen wird, steht diesem Ziel entgegen; ebenso wie die Tatsache, dass nach wie vor rund 98 Prozent der im Verkehr verwendeten Energieträger flüs-sig sind und weniger als 2 Prozent des Verkehrs mit Strom bestritten wird. „In Europa wird sich der Elektroantrieb wahrscheinlich relativ schnell durchsetzen“, sagt Marcos Marques von Porsche. „Aber was ist mit den Märkten, die nicht so schnell auf E-Autos umstellen? Wir gehen davon aus, dass es in 20 bis 30 Jahren immer noch einen hohen Bestand an Verbrennern gibt. Wenn wir den nicht als Teil der Lösung sehen, werden wir die Klimaziele im Verkehr nicht erreichen.“Um Bestandsfahrzeuge bei der CO₂-Reduzierung des Verkehrs mit einzubeziehen und schnellere Erfol-ge zu verbuchen, setzt Porsche des-halb auf Electric Fuels, kurz: E-Fuels. Dabei handelt es sich um flüssige syn-thetische Kraft- und Brennstoffe, die mittels grünen Stroms aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid hergestellt wer-den. Da bei ihrer Nutzung nur so viel CO2 frei-gesetzt wird, wie zuvor bei ihrer Produktion aus der Atmosphäre gebunden wurde, sind E-Fuels klimaneutral. Auch Udo Weber, Vorsitzender des Bun-desverbandes mittelständischer Mineralöl-unternehmen (UNITI) hält E-Fuels für unverzichtbar, um die Klimaziele im Verkehrssektor kurzfristig erreichen zu können. Sein stärkstes Argument: „E-Fuels sind kompatibel mit her-kömmlichen Verbrennungsmoto-ren und können fossile Kraftstof-fe ohne technische Anpassungen am Fahrzeug ersetzen.“ Ein weite-rer Vorteil des synthetischen Kraft-stoffs: E-Fuels können leicht trans-portiert und gespeichert werden. Diese Eigenschaften ermögli-chen es, preisgünstige erneuer-bare Energie aus sonnen- und wind reichen Gebieten der Welt in Form von E-Fuels nach Deutsch-land zu importieren. Wie genau die Produktion von E-Fuels funktioniert, zeigt Porsche mit Partnern im windigen Süden Chiles. Dort entsteht die Pilotanlage „ Haru Oni“. Der Projektleiter Marcos Marques erklärt: „Wir produzieren hier grünen Sprit aus Windenergie, Wasser und CO₂. Haru Oni ist die weltweit erste Anlage, die diese Prozesskette an einem Ort abbildet.“ Das anfangs überschaubare Potenzial der Pilotanlage von 130.000 Litern soll innerhalb der nächsten Jahre so weit hochgefahren werden, dass ab 2026 550 Millionen Liter grünen Kraftstoffs produ-ziert werden können. „Mit E-Fuels bringen wir die Energie aus dünn besiedelten Regionen in sol-che mit hohem Bedarf“, sagt Marcos Marques. Hochlauf von E-Fuels beschleunigenDer CO₂-neutrale Sprit ist aktuell noch teurer als herkömmliche Kraftstoffe. „Durch den Ausbau von Produktionskapazitäten und wirtschaftli-che Skaleneffekte können die Herstellungs-kosten in naher Zukunft aber deutlich gesenkt werden“, sagt Udo Weber. E-Fuels würden her-kömmlichen Kraftstoffen zu Beginn ohnehin erst mal nur beigemischt, so der UNITI- Vorsitzende. Auf diese Weise wären sie für den Autofahrer auch schon in den Jahren des Markthochlaufs bezahl-bar. Ihr Bei mischungsanteil könnte dann allmählich steigen, während die Produktionskosten stetig sin-ken würden. „Experten gehen davon aus, dass die Produktionskosten mit-telfristig auf rund einen Euro je Liter sinken“, so Weber. Bis es so weit ist, muss politisch und regulatorisch allerdings noch viel pas-sieren, konstatiert Marcos Marques. Porsche etwa fordert eine faire CO₂-Besteuerung für die unterschiedlichen Kraftstoffarten. Und der Bun-desverband mittelständischer Mineralölun-ternehmen UNITI hat einen ganzen Maß-nahmenkatalog für die Regierung for-muliert, um den Hochlauf von E-Fuels jetzt zu beschleunigen: „Es müsste eine ambitionierte Mengenmindestquote für E-Fuels im gesamten Verkehrssektor ge-ben“, sagt Udo Weber. Nicht nur Autos, sondern auch Lkw, Flugzeuge und Schif-fe könnten schließlich einen Beitrag zur CO₂-Neutralität leisten. „Des Weiteren for-dern wir eine Anrechenbarkeit von E-Fuels bei der EU-Flottenregulierung von neuen Lkw und schweren Nutzfahrzeugen“, so der Vorsitzende, „und einen Vorschlag der EU-Kommission bis spätestens 2023, wie neue Pkw mit E-Fuels zuge-lassen werden können.“ Nicht zuletzt sei eine An-erkennung des Importbedarfs erneuerbarer Ener-gien in Form flüssiger Energieträger wie E-Fuels in sämtlichen energiepolitischen Strategien und die Umsetzung entsprechender Maßnahmen zur Realisierung dieses Imports erforderlich. „Die Politik kann das Ziel der Klimaneutra-lität zwar vorgeben“, zieht Udo Weber sein Fa-zit, „sollte den Weg, wie dieses erreicht wird, aber offenlassen.“ Die Bevorzugung einer einzelnen Technologie, wie die E-Mobilität im Verkehr, sei kontraproduktiv. Udo Weber, Vorsitzender des Bundesverbandes mittelständischer Mineralölunter-nehmer (UNITI), hält E-Fuels für unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen.Porsche testet in Chile in der Pilotanlage Oni, wie grüner Kraft-stoff aus Wind, Wasser und CO2 entsteht.FOTO: UNITI/BERNHARDT LINK, PORSCHE AG; ICONS: GETTY IMAGES/KADIRKADAR, BOUNWARD (3), IYAST, ALI KEREM (2), ILLUSTRATOR DE LA MONDE (5), VICTOR, RTL_IMAGES (3) PERSPEKTIVEN 04_202219