BaWü- Verkehrsminister Winfried Hermann zu E-Fuels Das Magazin der Metall- und Elektro-Industrie 01|2023 FLUTALARM FLUTALARM FLUTALARM FLFLFLFLFLFLFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTAL FLUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALARM FLUTAL FLUTALUTALUTALUTALUTALUTALUTALALARM FLFLFLFLFLFLFLFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTFLUTAL FLUTAL FLFLFL UTALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARMARMARMARMARMARMARMARMARMARMARM ALARM ALARM ALARM ALARM ALARMARMARMARMARMARMARMARMARMARMARMARMARMARMARM Wie Unternehmen mit immer Unternehmen Wie Wie Wie Wie Wie Wie Wie Unternehmen Wie Unternehmen Wie Unternehmen Wie Unternehmen Wie Unternehmen Wie Unternehmen Wie Unternehmen mit immer Unternehmen mit immer Unternehmen mit mit mit mit immer mit immer immer immer mit immer mit immer mit immer mit immer immer immer immer immer immer immer immer immer immer immer Unternehmen Unternehmen Unternehmen Unternehmen mit Unternehmen mit Unternehmen mit Unternehmen mit Unternehmen mit mehr Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten mehr mehr mehr Berichtspflichten mehr Berichtspflichten mehr Berichtspflichten mehr Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten Berichtspflichten und EU-Richtlinien und und und und und und und EU-Richtlinien und EU-Richtlinien und EU-Richtlinien und EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien EU-Richtlinien überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt überschwemmt werden werden werden werden werden werden werden werden werden werden werden werden werden werden werden » Die Achtung der Menschenrechte ist eine zentrale staatliche Aufgabe, aber keine exklusive.« Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), irtschaftsminister und Vizekanzler, im Interview

Gut gedacht, aber schlecht gemacht WAS MEINEN SIE, HERR FELBERMAYR? Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist umstritten. Auch wenn die Idee ehrenhaft klingt – eine lückenlose Überwachung der ausländischen Zulieferer ist schlicht unmöglich, sagt der Wirtschaftsforscher. 3 0 R A T N E M M O K Seit dem 1. Januar 2023 gilt in Deutschland das Lie- ferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Deut- sche Einkäufer werden dadurch gezwungen, ihre Auslandspartner so zu wählen und zu managen, dass Verletzungen von Menschenrechten oder von Umwelt- und Sozialstandards nicht vorkommen. Wird dabei nicht die gewünschte Sorgfalt aufgewendet, kann es zu erheblichen Strafen in der Höhe von bis zu zwei Prozent des Umsatzes kommen. Nun ist auf EU-Ebene eine Vorschrift in Vorbereitung, die über die deutsche hinausgeht. So sollen indirekte Zulieferer einbezogen werden, und die Firmengrö- ße, ab der die Sorgfaltspflicht gilt, liegt deutlich niedriger. Das Ziel steht außer Streit: Importe europäischer Un- ternehmen aus dem Ausland sollen nicht Verstöße gegen fundamentale Regeln fördern, die in der EU streng geahn- det würden. Handelsbeziehungen sollen zu einer Verbesse- rung der Umstände in den Partnerländern führen. Aber das von der Politik gewählte Instrument ist kritisch zu sehen: Die Zielerreichung ist unklar, während ungute Nebenwir- kungen drohen. Empirische Untersuchungen aus Frankreich zeigen, dass die Einführung des LkSG den Handel mit Ländern verringert hat, in denen die Lage besonders schwierig ist. Die Importe werden auf „sicherere“ Länder umgelenkt. Außerdem kon- zentrieren sich die Importeure auf wenige, dafür größere Zulieferer. Dies reduziert die Diversität des Lieferantenport- folios und wirkt der Versorgungssicherheit klar entgegen. Die Importeure passen sich so an, denn jede Lieferanten- beziehung schafft fixe Kosten, die durch zusätzliche Kon- trollpflichten steigen. Außerdem schafft das LkSG Risiken, die der Importeur nicht ausräumen kann: Eine vollständige Überwachung ausländischer Lieferanten (und deren Zulie- ferer etc.) ist schlicht unmöglich. Alternative Lösungen können Abhilfe schaffen Wo sich europäische Einkäufer zurückziehen, ist kaum mit einer Verbesserung der Lage in Ländern des globalen Südens zu rechnen: Es fallen Jobs und Einkommen in vergleichs- weise gut geführten, weil im formalen Sektor angesiedelten, exportierenden Unternehmen weg. Der informelle Sektor, in dem der größte Teil der Verstöße geschieht, wächst. Außer- dem dürften die Lücken, die wegfallende europäische Ein- käufer hinterlassen, durch Firmen aus Ländern ohne LkSG, China zum Beispiel, geschlossen werden. Ob das für Umwelt, Sozialstandards oder Menschenrechte gut ist, kann man be- zweifeln, von den geostrategischen Interessen der EU ganz zu schweigen. Für die Berücksichtigung Letzterer sind Un- ternehmen nun nicht zuständig. All die unguten Nebenwirkungen des LkSG ließen sich vermeiden. Ein Negativlistenansatz wäre besser. Damit ist eine zentral erstellte Liste ausländischer Unternehmen ge- meint, die in europäischen Lieferketten nicht vorkommen dürfen. Damit würden nicht Myriaden einzelner Firmen je- weils für sich ausländische Zulieferer prüfen, sondern der Aufwand wäre zentral gepoolt und daher viel kleiner. Die Rechtssicherheit wäre höher. Und die geostrategischen Aus- wirkungen könnten einbezogen werden. GASTAUTOR: Gabriel Felbermayr WOHNORT: Wien BERUF: Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung BERUFUNG: Wirtschaftsforschung mit Wirkung PERSPEKTIVEN 01_2023

5 0 A D N E G A Ein Arbeitszeitrecht für das 21. Jahrhundert Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts haben Handlungsbedarf beim Arbeitszeitrecht aufgezeigt – nötig sind eine umfassende Modernisierung und Anpassung an die heutige Arbeitswelt. O b elektronisch oder noch mit der Stechuhr – vie- le Beschäftigte erfassen minutengenau ihre Ar- beitszeit. Gut ein Fünftel aller Beschäftigten in Deutschland jedoch nutzen die sogenannte Ver- trauensarbeitszeit. Das heißt, Arbeitgeber ver- trauen darauf, dass Aufgaben auch ohne minutengenaue Erfassung erledigt werden. Ein Urteil des Bundesarbeits- gerichts droht diese Modell jetzt zu kippen. Es hat kürzlich entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet seien, die Arbeits- zeit jedes Arbeitnehmers genau zu erfassen. Das Gericht be- ruft sich auf das sogenannte Stechuhr-Urteil des Europäi- schen Gerichtshofs von 2019. Das Bundesarbeitsgericht hat nun Anfang Dezember 2022 seine Begründung zu seiner Entscheidung vom Sep- tember zur Arbeitszeit veröffentlicht. Doch die Begründung des Gerichts ist für Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf fragwürdig: „Sie bleibt die Antwort darauf schuldig, warum das seit Jahrzehnten geltende Arbeitszeitrecht anders zu ver- stehen ist, als es bisher alle damit befassten Akteure verstan- den haben. Die Richter haben ohne jede Not für Rechtsunsi- cherheit und Verunsicherung gesorgt.“ Diese Situation ver- setze Anwaltskanzleien und Berater in Goldgräberstimmung. „Sie ziehen durch das Land und versuchen, die entstandene Unsicherheit in hohe Beraterhonorare umzumünzen.“ Klar ist aber auch: Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei künftigen Reformen, den er ausschöpfen kann. Mit Verweis auf diese Entscheidung sowie der zugrunde liegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2019 will der Bundes- arbeitsminister zeitnah einen Entwurf vorlegen. Flexiblere Arbeitszeitmodelle weiter möglich Die gelegentlich postulierte Rückkehr zur Stechuhr ist dabei keineswegs zwingend. Gesamtmetall hat zu diesem Themen- komplex drei Gutachten vorgelegt. Ein personalwirtschaftli- ches zum Wert flexibler Arbeitszeitmodelle und den Gefah- ren von Einschränkungen liefert das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) unter Federführung des Direktors Professor Sascha Stowasser. Ein rechtswissenschaftliches zu den Grenzen europäischer Umsetzungspflichten für den deutschen Gesetzgeber kommt von Professor Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Ein weiteres rechtswissenschaftliches Gutachten zu den uni- onsrechtlichen Mindestvorgaben zur Ausgestaltung eines Sys- tems der Arbeitszeiterfassung–auch im Kontext der aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts–stammt von Profes- sor Clemens Höpfner, geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln. h-h- Der Handlungsbedarf besteht demnach woanders. Die deut- schen Arbeitszeiten gehören zu den kürzesten der Welt. Wer Wohlstand will, muss nicht nur produktiv arbeiten, sondern diese kurzen Arbeitszeiten wenigstens hochflexibel und un- bürokratisch verteilen können. „Dass jeder Arbeitnehmer minutiös seine Arbeitszeit zu erfassen hat, wirkt völlig aus der Zeit gefallen. Natürlich erfasst die Mehrheit der Arbeit- nehmer ihre Arbeitszeit. Aber es gibt auch gute Gründe, da- von einvernehmlich abzuweichen“, erklärt Gesamtmetall- Präsident Wolf. Viele Beschäftigte wollen ihre Arbeit anders organisieren, flexibler ausrichten, besser verteilen. Gut ein Fünftel aller Arbeitnehmer tue das beispielsweise in Ver- trauensarbeitszeit, zur allerseitigen Zufriedenheit, so Wolf. „Der Versuch, die Organisation der Arbeit im 21. Jahrhun- dert an den Regelungen des vorherigen Jahrhunderts auszu- richten, ist schädlich und rückwärtsgewandt.“ Ein höherer Autonomiegrad bei der Arbeitszeit muss einhergehen mit einer größeren Eigenverantwortung der Arbeitnehmer für ihre Arbeitszeit und auch deren Erfassung. Update für das Arbeitszeitgesetz Gesamtmetall ruft den Gesetzgeber deshalb dazu auf, die von den Gerichten verursachte Rechtsunsicherheit prag- matisch aufzulösen. Die Bundesregierung sollte sich dabei auf ihren eigenen Koalitionsvertrag besinnen und dem Ar- beitszeitgesetz insgesamt ein Update verpassen. Nur auf diese Weise wird ein neuer Flexibilisierungskompromiss für die Arbeitszeit im 21. Jahrhundert ermöglicht. Die Regelun- gen zur Höchstarbeitszeit müssen gemäß der Vorgabe der europäischen Arbeitszeitrichtlinie von einer Tageshöchst- arbeitszeit auf eine Wochenhöchstarbeitszeit umgestellt werden. Keiner soll länger arbeiten müssen, aber die Ar- beit kann so besser innerhalb der Woche verteilt werden. Flankierend muss die geltende Ruhezeitregelung mit einer unbeschränkten tariflichen Öffnungsklausel versehen wer- den. Hält der Gesetzgeber es für notwendig, die Erfassung der Arbeitszeit zu regeln, sind klare Ausnahmeregelungen sowie eine echte Wahlfreiheit bei der Form der Erfassung zwingend erforderlich, um innovative Arbeitszeitmodelle nicht zu zerstören. Wie bisher muss daher eine einvernehmlich vereinbarte Vertrauensarbeitszeit auch künftig von einer minutengenau- en Erfassung der Arbeitszeit ausgenommen werden. „Eine One-Size-fits-all-Lösung bei der Erfassung von Arbeitszei- ten ist nicht akzeptabel. Auch hier ist der Koalitionsvertrag beim Wort zu nehmen“, stellt Stefan Wolf klar. Die drei vor- gelegten Gutachten belegen nachdrücklich, dass ein solches Update sachlich geboten und auch nach den Urteilen aus Luxemburg und Erfurt möglich ist. PERSPEKTIVEN 01_2023 R A H T K A N M A I : S O T O F

Sicht:Weise Ist die Wahlrechtsreform zu Recht umstritten? Die Anzahl der Bundestagsabgeordneten soll kleiner werden. Doch ist das neue Wahlrecht die richtige Maßnahme? Drei Experten antworten. 7 0 A D n e g A »Das Wahlrecht muss ein- fach, fair und gerecht sein. Die Bevorzugung einer Partei wi- derspricht demokratischen Grundsätzen!« »Der Bundestag soll kleiner werden – und hat sich unter den Augen einer staunenden Öffentlichkeit selbst schwer beschädigt.« »Die von der Ampel geplan- te Wahlrechtsreform ist ein schwerer Eingriff in das System des personalisierten Verhältniswahlrechts.« Sebastian Hartmann MdB, SPD-Obmann Kommission zur Reform des Wahlrechts Dr. Daniel Deckers, Buchautor und Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Ansgar Heveling MdB, CDU-Obmann Kommission zur Reform des Wahlrechts Durch ein geändertes Wahlverhalten änderte sich in den letzten Jahrzehn­ ten die Parteienlandschaft. Das gel­ tende Wahlrecht führt so zu immer mehr Überhang­ und Ausgleichs­ mandaten, die den Bundestag stetig vergrößern. Der vorläufige Höhepunkt von aktuell 736 Abgeordneten soll An­ lass für eine echte Wahlrechtsreform sein. Wir werden deshalb sicherstel­ len, dass die gesetzliche Größe des Bundes tages mit 630 Sitzen fix ein­ gehalten wird, da die Sitze nur nach dem Zweitstimmenergebnis vergeben werden. Wir erhalten zudem die ört­ liche Repräsentation, da die so errun­ genen Sitze zuerst an Wahlkreiserste vergeben werden. Einer solch nach­ haltigen Lösung hat sich die Union bislang versperrt, da ihnen das heuti­ ge Wahlsystem am meisten nützt. Selten ging es im Deutschen Bundes­ tag so hoch her wie an jenem Freitag­ vormittag im März 2023, als die Ab­ geordneten eine Novelle des Bundes­ wahlgesetzes beschlossen. Doch der Lärmpegel zeigte nicht etwa einen Höhe­, sondern einen Tiefpunkt der politischen Kultur der Bundes­ republik an. Denn die mit den Stim­ men der Ampelfraktionen durchge­ setzte Reform ist mit dem Verzicht auf die Grundmandatsklausel genauso parteipolitisch­taktisch motiviert ge­ wesen wie die zehnjährige Obstruk­ukuk tionspolitik von CDU und CSU in Sachen Rückführung der Größe des Bundestags auf die Zahl von 598 Ab­ geordneten. Die Union hat Wind gesät und Sturm geerntet. Die Schneise der Verwüstung wird sich noch lange quer durch den Bundestag ziehen. Die von der Ampelkoalition geplante Wahlrechtsreform ist verfassungs­ rechtlich sehr problematisch. Denn sie sieht vor, dass Kandidaten in den Wahlkreisen, die mehrheitlich ge­ wählt wurden, nicht mehr automa­ tisch ein Bundestagsmandat erhal­ ten. Vielmehr soll ein Direktmandat nur dann „zugeteilt“ werden, wenn es durch den Zweitstimmenanteil derjenigen Partei gedeckt ist, welcher der Wahlkreissieger angehört. Das ist ein in der Geschichte der Bundes­ republik Deutschland einmaliger Eingriff in das tradierte System des personalisierten Verhältniswahl­ rechts. Den Wählern ist es nicht ver­ mittelbar, dass ihre Stimme nur deshalb nicht zählen soll, weil Kan­ didaten in anderen Wahlkreisen besser abschneiden. er PERSPEKTIVEN 01_2023

9 9 0 0 A M E H T L L L E E E T I T Wer geht unter in der Bürokratieflut? Unternehmen sollen nachhaltig und sozialverträglich wirtschaften. Was einst als gute Idee startete, hat sich zu einer Flut an Richtlinien aufgetürmt, die unübersichtlich und schlecht abgestimmt sind. Diese überfordern und überlasten Unternehmen, die Gefahr laufen, in dieser Bürokratiewelle unterzugehen. Das deutsche Lieferkettengesetz war noch nicht in Kraft getreten, da hat- te es schon ein erstes Opfer gefordert. Der Baukonzern Strabag zieht sich aus dem Afrika-Geschäft zurück, verkün- dete Jörg Wellmeyer, Geschäftsführer der Strabag International GmbH in einem Interview mit der FAZ. Projekte werden noch fertig gebaut, aber um neue Ausschreibungen wolle man sich nicht mehr bewerben. Zum Hintergrund: Der Umsatz im oh- nehin schon schwierigen Afrika-Geschäft lohnt sich nicht, wenn die Gefahr im Raum steht, wegen nicht hinreichend kontrollierter Lieferketten von allen deutschen Ausschreibungen ausgeschlos- sen zu werden. Die Strabag wird nicht das einzige Unterneh- men bleiben, das Konsequenzen aus dem Liefer- kettengesetz zieht. Um Klimaziele und soziale Standards zu verbessern, müssen Unternehmen immer mehr Berichtspflichten erfüllen, die so un- übersichtlich sind, dass sie kaum jemand ohne Hilfe versteht, geschweige denn erfüllen kann. Europas Unternehmen droht die Überforderung. Viele von ihnen befürchten, in der Pflichten- und Bürokratieflut unterzugehen. Aber so sehr die Unternehmen auch zu kämp- fen haben: Die Intention, mit der die Berichts- pflichten und Richtlinien geschaffen wurden, war durchaus lobenswert. 2005 beschäftigte sich die UN mit der Frage, welche Verantwortlichkeiten Unternehmen im Hinblick auf die Einhaltung der I R E D R T S _ T S E R O F / S E G A M I Y T T E G : N O C I ; E G A L H C S A K U L : I N E N O T A R T S U L L I PERSPEKTIVEN 01_2023 - malige UN-Sonderbeauftragte für Unternehmen und Menschenrechte, John Ruggie (1944–2021). Im Jahr 2011 legte Ruggie dem UN-Menschen- rechtsrat schließlich die 31 UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten vor. Die Säulen bilden die drei Werte Schutz, Respekt und Abhil- fe. Diese Leitprinzipien sind als „Ruggie Princi- ples“ bekannt. Heute fußen die von der EU gesetzlich vor- geschriebenen Sorgfaltspflichten der Unterneh- men, das deutsche Lieferkettengesetz sowie die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie auf diesen Prinzipien. Allerdings gelten sie nicht mehr wie im ursprünglichen Ansatz als freiwillige Leitprin- zipien. Stattdessen drohen nun bei Nichteinhal- tung Sanktionen oder wie bei der Lieferketten- richtlinie sogar zivilrechtliche Haftung. 1. Welle: Lieferkettengesetz betrifft Tausende Unternehmen Seit Anfang 2023 verpflichtet das Lieferketten- gesetz Unternehmen in Deutschland dazu, in glo- balen Lieferketten Menschenrechte zu wahren und Umweltzerstörungen zu verhindern. Diese Pflichten gelten nicht nur für den eigenen Geschäftsbereich, sondern auch M S I N D U S T R I E M S I N D U S T R I E

1 1 »Es ist nicht umsetzbar, die Wertschöpfungskette zu kontrollieren. Dies führt zu einer Überbürokratisierung.« Dr. Markus Baldinger, Geschäftsführer der Pöttinger Landtechnik GmbH e-e- Auch kleine und mittelständische Unternehmen, die noch weniger Ressourcen für Bürokratie ha- ben, sind betroffen – wenn auch nur indirekt. Das bestätigt auch Thilo Brodtmann, Hauptgeschäfts- führer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA): „Größere Kunden geben ihre vorgeschriebenen Dokumentationspflichten direkt und eins zu eins an ihre Lieferanten weiter.“ Bei der Risikoanalyse würden häufig nach dem Gießkannenprinzip alle Lieferanten mit einem Fragebogen beziehungsweise Online-Assessment konfrontiert. „Dies führt zu einem enormen Auf-ufuf wand“, erklärt Brodtmann. Denn Zulieferer wer- den gebeten, die Dokumentation an die jeweili- gen ‚Berichtssysteme‘ der Kunden anzupassen, die je nach Unternehmen sehr unterschiedlich sein können. „Die Mehrbelastung kann von den klei- nen und mittleren Firmen in den seltensten Fällen eingepreist werden.“ Diese Belastung spürt auch Dr. Markus Baldinger, Geschäftsführer der Pöttin- ger Landtechnik GmbH. Es sei nahezu unmöglich, alle Lieferanten ausfindig zu machen und Einfluss auf diese auszuüben. „Dies führt unvermeidbar zu einer Überbürokratisierung – nicht nur bei klei- nen und mittleren Unternehmen“, warnt er. 2. Welle: Lieferkettenrichtlinie betrifft bald auch kleine Unternehmen Bald könnten tatsächlich auch kleine und mitt- lere Unternehmen (KMU) direkt betroffen sein. n sein. Die EU-Kommission hat einen Richtliniennien- vorschlag vorgelegt, der bereits Firmen ab en ab 500 Mitarbeitenden und mit mehr al 150 Millionen Euro Umsatz in die Pflic Pflicht nimmt. Betriebe, etwa des Baugewugewer- bes oder der Textilindustrie (aue (auch einige M+E-Sektoren), bei bei hr als M S I N D U S T R I E M S I N D U S T R I E

Aus Sicht von Thilo Brodtmann sind die Berichts- pflichten und Lieferkettengesetze nicht der rich- tige Weg, um Corporate Social Responsibility zu fördern: „In dieser Form wird die Richtlinie verstärkt zu mehr Bürokratie, Rechtsunsicher- heit und letztendlich zum Rückzug europäischer Unternehmen aus Risikogebieten führen. Die zur Versorgungssicherheit notwendige Diversifizie- rung der Lieferketten droht durch die EU-Richt- linie erschwert zu werden.“ Er plädiert stattdessen für länderbezogene White Lists. Demnach würden Lieferanten mit Sitz in der EU und den EFTA-Staaten von der Risi- koanalyse ausgenommen werden. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Vorschläge von Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Ins- tituts für Wirtschaftsforschung. In seiner Studie „Ökonomische Bewertung eines Lieferkettenge- setzes“ im Auftrag von Gesamtmetall stellt er al- ternative Lösungsansätze vor, beispielsweise ternative 3 1 »Das Gesetz darf nicht dazu führen, dass sich Unternehmen wegen der Bürokratielast von Standorten zurückziehen.« Axel Voss, EVP-Abgeordneter des Europäischen Parlaments MS INDUSTRIE

langer Prozess. „Aber am Ende ist es auch ein klares Signal an jene, die bisher Menschen­ rechte gegen wirtschaftliche Interessen abgewogen haben. Damit ist nun Schluss“, macht er deutlich. 5 1 ­ 4. Welle: Taxonomie als neue Kennzahl für Kreditwürdigkeit Eine weitere Regulierung droht durch die Taxo­ nomie­Verordnung. Schlechte Werte im Bereich der Taxonomie können für Unternehmen negati­ ve Folgen nach sich ziehen, was deren Kreditwür­ digkeit betrifft. In der Taxonomie­Verordnung ist definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten. Zugleich schreibt sie vor, dass Organisationen für Trans­ parenz der eigenen Geschäfts­ beziehungen sorgen müssen. An­ hand der hand der in der Verordnung ­ MS INDUSTRIE MS INDUSTRIE

7 1 »Die Taxonomie-Verordnung ist sicher gut gemeint – jedoch nicht gut gemacht.« Karolin Schriever, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Deuts RIE RIE T T S S U U D D N N S I S I M M

9 1 G N U D L I B Grad Celsius erhitzt werden. Temperaturen von 100 Millionen zu bringen, müssen die Kerne auf Um beide Atomkerne zur Fusion isotope Deuterium und Tritium. Fusion sind die Wasserstoff- Ausgangsstoffe für eine solche erfolgversprechendsten Denn das ist nicht einfach: Die gewinnen als zu verbrauchen. fusion erstmals mehr Energie zu team gelungen, bei einer Kern- 2022 ist es einem US-Forscher- Jahrzehnte vergehen. Erst Ende könnten laut Experten noch durch kontrollierte Kernfusionen Nutzung zur Energiegewinnung bis zu einer industriellen Atommüll zu produzieren. Doch zur Kernspaltung aber ohne Mengen erzeugen – im Gegensatz Energie in unendlich großen Kernfusion ließe sich also gesetzt. Mit einer kontrollierten wird in Form von Energie frei- schied von vier Millionen Tonnen Helium. Dieser Masseunter- zu rund 560 Millionen Tonnen Tonnen Wasserstoff-Atomkerne Celsius rund 564 Millionen bei rund 15 Millionen Grad statt. Pro Sekunde verschmelzen der Sonne findet eine Kernfusion Antwort A ist richtig. Im Inneren Die richtige Antwort: offoff Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik: Testen Sie Ihr Wissen im MINT-Quiz Wie funktioniert Kernfusion? Die weltberühmte Formel E = E mc² von Albert Einstein beschreibt den Zusammenhang zwischen der Masse m, Lichtgeschwindigkeit c und Energie für, dass Masse und Energie ineinander umgewandelt werden können. Zudem lieferte der Physiker mit der Relativitätstheorie die Grundlage dafür, eine Kernfusion (Simulation sie- he Bild oben) auf der Erde nachzubauen und Energie zu erzeugen. Vorbild ist die Sonne, die dank Kernfusion Unmengen von Energie in Form von Wärme abgibt. Doch wissen Sie: E. Sie liefert den Beweis da- c Wie funktioniert eigentlich eine Kernfusion? A Bei der Kern- fusion verschmelzen zwei kleine Atom- kerne zu einem größeren. B Eine Kernfusion bezeichnet die Spaltung eines Atomkernes in zwei Kerne. C Die Fusion von Plutonium und Uran erzeugt eine Explosion, die Energie freisetzt. Weiterbildungsgesetz Ausbildungsgarantie ohne Umlage Die Ampel setzt mit der Ausbildungsgarantie ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um. Der nun vorliegende Entwurf eines Weiterbildungsgesetzes beschreibt neben weiteren neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten auch die konkrete Ausgestaltung dieser Garantie auf einen Ausbildungsplatz. Diese greift jedoch nur, wenn Jugend- liche trotz nachweislicher Bewerbungen und Bemühungen um eine Vermittlung sowie Unterstützungsmaßnahmen keinen betrieblichen Ausbildungsplatz finden. Für diese Jugendlichen – der Gesetzgeber spricht hier von den „Marktbenachteiligten“ – ist dann eine durch die BA geförderte außerbetriebliche Berufsausbildung möglich. Eine ursprünglich geplante unternehmensfinanzierte Ausbildungsumlage wird es somit nicht geben. Denn entgegen der Ansicht der Gewerkschaften mangelt es derzeit nicht an der Bereitschaft der Unternehmen, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Vielmehr gibt es nicht genug Bewerber. Ziel dieser neuen Ausbildungsgarantie muss es aber auch sein, den gesellschaftlichen Wert einer Berufs- ausbildung wieder bewusst zu machen, deren Attraktivität weiter zu steigern und mehr junge Menschen damit für eine Berufsausbildung zu gewinnen. Dementsprechend sollen in erster Linie die Stärkung der beruflichen Orientierung durch Praktika und die Erhöhung der interregionalen Mobilität ins Auge gefasst werden. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist es, die Einstiegqualifizierung gezielt flexibler zu gestalten und die Rahmenbedingungen für die Ausbildungs- vorbereitung zu erleichtern. Besonders betont wird im Gesetzesentwurf auch der klare Vorrang von betrieblicher Berufsausbildung vor außerbetrieblichen Modellen. Zumindest dies ist ein eindeutiges Bekennt- nis zur Berufsausbildung und berücksichtigt auch aus Sicht der M+E-Industrie die aktuelle Entwicklung am Fachkräftemarkt. Y R A R B I L O T O H P E C N E I C S / I Y K S V E H Z U M D R A U D E / S E G A M I Y T T E G : O T O F PERSPEKTIVEN 01_2023

1 2 »Fairness darf nicht länger ein Wettbewerbs- nachteil sein« ROBERT HABECK will die Fairness im Wettbewerb stärken. Der Wirtschaftsminister über das neue Lieferkettengesetz, grüne Technologien und Verantwortungsbewusstsein. Warum brauchen wir ein Lieferkettensorgfaltspflich- tengesetz? Wäre eine Negativliste mit Unternehmen, die nachweislich Menschenrechte, ILO-Normen oder Umweltstandards verletzt haben, nicht ein gutes und weniger bürokratisches Instrument? Robert Habeck: Das Gesetz wählt bewusst einen anderen Ansatz, um einen langfristigen Paradigmenwechsel zu er- reichen. Wir regeln per Gesetz, welche Verantwortung Un- ternehmen für die Bedingungen im eigenen Geschäftsbe- reich, aber auch bei ihren Zulieferern tragen. Es geht um Menschenrechte, um menschenwürdige Arbeit, um Umwelt- schutz. Es geht damit auch darum, dass Fairness nicht länger ein Wettbewerbsnachteil sein darf. Aber genau das erreicht man nur durch eine klare gesetzliche Regelung. Eine Nega- tivliste würde hier zu kurz greifen. Besteht die Gefahr, dass deutsche Unternehmen wegen der Rechtsunsicherheiten aus bestimmten Ländern verdrängt werden, da die Risiken unüberschaubar werden? Habeck: Das sehe ich nicht so. Im Gegenteil: Sehr viele Un- ternehmen haben sich bereits in der Vergangenheit eigene S U C O F R U T N E G A / N E S U A H T D L A W A N E L R A M : O T O F »Sehr viele Unternehmen haben sich bereits in der Vergangenheit eigene Unternehmens- standards gesetzt.« Robert Habeck über das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen Unternehmensstandards gesetzt gegen Kinderarbeit und Umweltzerstörung. Jetzt gibt es durch das Gesetz eine ver- lässliche Rechtsgrundlage. Das ermöglicht auch die Um- setzung eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements. Das Gesetz trägt somit nicht nur zur Rechtssicherheit, sondern auch zur Stärkung der Fairness im Wettbewerb bei. Und letztlich erhöht das auch unsere Resilienz. Den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern bringt das Lieferkettengesetz die Sicherheit, dass insbesondere große Unternehmen in Deutschland nun einen noch stärkeren Fokus auf faire Her- stellung legen müssen. Was macht Sie sicher, dass Unternehmen hinsichtlich der weltweiten Einhaltung der Menschenrechte nun das leisten können, was die Staaten jahrzehntelang nicht geschafft haben? Habeck: Die Achtung der Menschenrechte ist eine wichtige und zentrale staatliche Aufgabe, aber keine exklusive. Denn Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Umweltschutz – all das spielt auch in Handels- und Wirtschaftsbeziehungen der Unternehmen eine wichtige Rolle. Daher ist es ein gemein- samer Auftrag, internationale Arbeitsnormen oder Umwelt- standards ernst zu nehmen und zu helfen sie durchzusetzen. Die Bundesregierung setzt sich weltweit für die Einhaltung von Menschenrechten ein und nutzt hier alle internationalen Formate und Foren, um das Thema voranzutreiben. Natür- lich ist das oft ein mühsamer und langwieriger Prozess. Und natürlich verlangen wir auch von den Unternehmen, dicke Bretter zu bohren. Aber am Ende ist es auch ein klares Si- gnal an jene, die bisher Menschenrechte gegen wirtschaft- liche Interessen abgewogen haben. Damit ist nun Schluss. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gas- und Kohleimporten offengelegt. Was sagen Sie den Unternehmen, die nicht nur neue Regeln wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beschäftigen, sondern die sich auch allgemein Gedanken PERSPEKTIVEN 01_2023

3 2 machen über den Wirtschaftsstandort Deutschland? Habeck: Wir haben im vergangenen Jahr durch konsequen­ tes und gemeinsames Handeln die Lage beherrschbar ge­ macht. Dafür möchte ich auch ausdrücklich Danke sagen – an die Unternehmerinnen und Unternehmer, die politischen Akteure in Bund, Ländern und Kommunen und die vielen Menschen, die mitgeholfen haben, Energie einzusparen. Im Jahr 2022 hat dieses Land gezeigt, was es kann. Infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist schnell klar geworden, dass wir einseitige Abhängigkeiten von fossilen russischen Importen konsequent und Sparte für Sparte be­ enden müssen. Und genau das ist in einer enormen Kraft­ anstrengung gelungen. Allerdings sind auch die Energiepreise enorm. Was wollen Sie hiergegen tun? Habeck: Natürlich sehen wir die Folgen der Energiekrise noch immer an den hohen Preisen. Aber auch hier haben wir gegengesteuert, und gerade die Gaspreise sind zuletzt auch wieder stark gefallen. Mit dieser Konsequenz müssen wir auch in diesem Jahr agieren. Wir haben im vergange­ nen Jahr neben akuter Krisenhilfe auch die Weichen gestellt für mehr Tempo beim Erneuerbaren­Ausbau. Mit der EEG ­ Novelle im letzten Jahr, der EU­Notfallverordnung, die wir gerade Anfang März verabschiedet haben, ist eine neue Dy­ namik entstanden. Der Rahmen für die Beschleunigung steht, jetzt kommt es auf die konkrete Umsetzung an und auch da wird es nur gemeinsam gelingen. Denn klar ist: Erneu­ erbare Energien sind längst zum Standortfaktor geworden. Die USA machen es gerade vor und stecken massiv Geld in grüne Technologien. Daher ist es richtig, dass die Europäi­ sche Kommission den Beihilferahmen angepasst hat, damit wir Investitionen in grüne Leitmärkte konsequenter voran­ treiben können. ­ Und was ist mit Wasserstoff? Brauchen wir hier nicht viel schneller viel mehr? Habeck: Ja, auch hier ist mehr Tempo erforderlich. Wir müs­ sen den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft noch schneller vorantreiben. Mit Ländern wie Norwegen und Kanada ha­ ben wir Vereinbarungen getroffen, die die Lieferung großer Mengen an Wasserstoff oder damit verbundenen Stoffen S U C O F R U T N E G A / N E S U A H T D L A W A N E L R A M : O T O F »Der Aufbau einer klimaneutralen Energie- versorgung ist in vollem Gange, mehr als jemals zuvor.« Robert Habeck über die Energiewende »Das vergangene Jahr war für viele Menschen eine große Heraus forderung. Für Politikerinnen und Politiker im Bund, in den Ländern, auf kommunaler Ebene, aber auch für viele Unternehmen.« Robert Habeck über das Jahr 2022 wie Ammoniak vorsehen. Zugleich überlegen wir, wie sich grüner Wasserstoff möglichst direkt an großen Windparks oder Solaranlagen produzieren lässt, um die Kosten niedrig zu halten. Nicht zuletzt für deutsche Stahlwerke wird das entscheidend sein. Der Aufbau einer klimaneutralen Ener­ gieversorgung ist also in vollem Gange, mehr als jemals zu­ vor. Der russische Angriffskrieg hat das beschleunigt. Zur Überwindung der Energiekrise mussten Sie als Grüner über viele Hürden springen: Atomkraft, Kohle, LNG … Wie fühlt sich das an? Habeck: Zunächst einmal ging es darum, die Versorgungssi­ cherheit im vergangenen Winter zu gewährleisten. Da muss­ te an vielen Stellschrauben gedreht werden. Die schwers­ te Entscheidung für mich als Klimaschutzminister war es, dass wir wieder mehr Kohlestrom nutzen mussten als ge­ plant, weil wir Gas bei der Stromerzeugung sparen muss­ ten. Umso mehr war ich positiv überrascht von den aktu­ ellen Zahlen zu den Treibhausgasemissionen in Deutsch­ land für das Jahr 2022. Bei der Energieerzeugung konnte die Zielmarke für 2022 knapp eingehalten werden – trotz der Notfallmaßnahmen. Und das lag in erster Linie am zu­ nehmenden Ausbau erneuerbarer Energien und damit der steigenden Stromproduktion aus Wind­, Sonnen­ und Bio­ gasenergie. Und mit den Flüssigerdgasterminals haben wir binnen weniger Monate eine komplett neue Infrastruktur auf die Beine gestellt, die wichtig ist, um russisches Erdgas zu ersetzen. Und, nun ja, wie fühlt sich das an? Ich glaube, das vergangene Jahr war für viele Menschen eine große He­ rausforderung. Für Politikerinnen und Politiker im Bund, in den Ländern, auf kommunaler Ebene, aber auch für viele Unternehmen, die Produktionsprozesse umgestalten muss­ ten, um Energie zu sparen, und natürlich für viele Verbrau­ cherinnen und Verbraucher, die mit hohen Energiepreisen kämpfen mussten. Viele Menschen haben im vergangenen Jahr viel Verantwortung übernommen. Wir sind als Bundes­ regierung gewählt worden, um Entscheidungen zu treffen und dafür geradezustehen. Das ist die Jobbeschreibung ei­ nes Ministeramts und so handele ich. PERSPEKTIVEN 01_2023 PERSPEKTIVEN 01_2023

DEUTSCHLAND GESAMT − 24,3 % der heutigen Lehrer sind 2030 65 und älter und fallen dann aus + 15,3 % mehr Schüler in der Sekundarstufe 1 im Schuljahr 2030/31 + 9 % mehr Schüler insgesamt im Schuljahr 2030/31 Bremen − 19,7 + 11,7 + 9,4 Nordrhein- Westfalen − 21,9 + 23,1 + 13,6 − 21,2 + 10,7 + 5,8 Rheinland- Pfalz Saarland Saarland − 18,1 + 3,9 ,6 / R Z U E L P P A D R A W N U O B / S E G A M I Y T T E G : S N O C I ; R E M R A D / S D V A D I : O T O F 5 2 Lehrermangel und Schülerzuwachs 2030/31 Die Schere wird gößer, wenn 2030/31 viele Lehrer im Rentenalter sind und die Schülerzahlen angestiegen sind. Aufschlüsselung nach Bundesland Quelle: „Lehrkräftebedarf und -angebot: Bis 2035 steigende Engpässe zu erwarten“, Gutachten des Institutes der Deutschen Wirtschaft, 2022 Schleswig- Holstein − 23,9 + 15,5 + 8,5 Hamburg Hambur − 19,8 + 18,8 + 12,8 Niedersachsen − 20,9 + 6,5 + 2,9 Thüringen − 42,0 + 6,0 + 1,4 Hessen − 22,1 + 16,4 + 9,3 Bayern − 22,4 + 21,0 + 12,4 Baden- Württemberg − 20,5 + 11,3 + 6,9 − 40,9 + 6,8 − 3,2 Mecklenburg- Vorpommern Berlin − 29,7 + 19,0 ++ 1717,3 Sachsen- Anhalt − 43,1 + 3,6 − 0,6 Brandenburg − 35,1 + 7,4 + 2,22 Sachsen − 37,6 + 9,9 + 4,7 PERSPEKTIVEN 01_2023

Netzteil Unsere schönsten Fundstücke aus dem sozialen Netz 7 2 N E I L A N O S R E P Rat der Arbeitswelt Donner ist Sprecher – Mallmann neues Mitglied Zum Sprecher des Rats der Arbeitswelt wurde der ehemalige Personalmanager der Carl Zeiss AG, Franz Donner (links), gewählt. Neu aufgenommen wurde Dr. Luitwin Mallmann, ehemaliger Hauptgeschäftsführer von Metall NRW. Damit ist die Arbeitgeberseite in diesem paritätisch besetzten Gremium komplett. Der Rat der Arbeitswelt ist ein auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einberufenes interdisziplinäres und unabhängiges Gremium. INSM und MIT Wechsel in der Führung Neuer Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) wird ab dem 15. April der Jurist und frühere TV­Redakteur Thorsten Alsleben (50). Alsleben tritt die Nachfolge von Hubertus Pellengahr an, des­ sen Vertrag nach zwölf Jahren Ende 2022 ausgelaufen war. Nachfolger von Alsleben als Hauptgeschäfts­ führer bei der Mittelstands­ und Wirtschaftsunion (MIT) wird zum 1. Mai der 43­jährige Ökonom und Poli­ ­ tikwissenschaftler Fabian Wendenburg. Mindestlohnkommission Schönefeld an der Spitze Christiane Schönefeld ist neue Vorsitzende der unabhängigen Mindestlohnkommission. Dar­ auf haben sich die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, die Bun­ desvereinigung der Deutschen Arbeitgeber­ verbände (BDA) und der Deutsche Gewerk­rkrk schaftsbund (DGB), einstimmig geeinigt. Die Bundesregierung hat diesem Vorschlag zuge­ stimmt. Die 65 Jahre alte Schönefeld ist Juristin und gehörte bis September 2022 dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit an. PERSPEKTIVEN 01_2023 I N N A M R A K L E N A D A P D E C N A I L L A E R U T C / / E D N O M A L E D R O T A R T S U L L I / S E G A M Y T T E G I : N O C I I P , I T M , K E N O J H A R A S / W R N L L A T E M , S S I E Z : S O T O F

9 2 D ie M+E-Produktion stieg 2022 um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Da- mit blieb sie zwar noch 9 Prozent unter dem Vorkri- senniveau von 2018, die Entwicklung fiel angesichts von Ukraine-Krieg und Energiekrise aber besser als befürchtet aus. Allerdings verzeichneten die ener- gieintensiven Gießereien (−2,6 %) und Metallhersteller (−1,9 %) eine rückläu- fige Produktion. Auch der Maschinen- bau konnte seinen Output im Jahres- vergleich lediglich um 0,8 Prozent stei- gern. Dem stehen die Elektroindustrie (+4,5 %) und der Fahrzeugbau (+4,0 %) mit Zuwächsen gegenüber. Während die Elektroindustrie von Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung profitiert, erholte sich der Fahrzeugbau etwas von den Ein- schnitten der vergangenen Jahre. In- folge wieder stabilisierter Lieferket- ten stieg die Zahl der in Deutschland gefertigten Pkw 2022 um 12 Prozent gegenüber 2021. Die Auto-Finalisie- rungen stützten damit die gesamte Produktion. Allerdings wurden 2022 immer noch weniger Autos als im Corona-Jahr 2020 in Deutschland ge- fertigt. 2018 wurden sogar noch über ein Viertel mehr Pkw produziert. Die Autoproduktion hat eine enorme volkswirtschaftliche Bedeu- tung: Mit rund 870.000 Beschäftig- ten befindet sich mehr als jeder drit- te Arbeitsplatz in der europäischen Automobilindustrie in Deutschland. Ein Arbeitsplatz im Fahrzeugbau trägt mit jährlich rund 140.000 Euro doppelt so stark zum Bruttoinlands- produkt (BIP) bei wie im gesamt- wirtschaftlichen Durchschnitt. Die Folgen des geschwächten deutschen Standortes spiegeln sich in einer ent- sprechend schwachen Wirtschafts- leistung wider. Zwar kann nach aktuellen Prog- nosen eine Rezession in diesem Jahr gerade so abgewendet werden, aller- dings trägt Deutschland weiterhin die rote Laterne. Während alle größeren Volkswirtschaften eine positive Wirt- schaftsentwicklung aufweisen, wird das deutsche BIP auch 2023 noch un- ter dem Niveau von 2019 liegen. Selbst Japan und Großbritannien lassen Deutschland hinter sich. Eine ange- botsorientierte Wirtschaftspolitik ist daher dringend nötig, um die Rahmen- bedingungen für den Strukturwandel zu verbessern und die Produktion in Deutschland zu steigern. R Z U E L P P A / S E G A M Y T T E G I : N O C I Durchschnitt Vorkrisenniveau 460.000 2019 Δ 2019/2018 − 9 % 350.000 NOV 20 2020 Δ 2022/2021 +12 % 340.000 FEB 23 (VORLÄUFIG) 2023 Δ 2020/2019 − 25 % 2021 2022 Δ 2021/2020 − 12 % 174.000 AUG 21 14.000 APR 20 Quelle: VDA, vorläufige Werte für die vergangenen drei Monate, Veränderungs­ raten für nominale Werte (Stückzahlen) PERSPEKTIVEN 01_2023

FOTO S.30: GETTY IMAGES/ JACOBS STOCK PHOTOGRAPHY; KARIKATUR S.31: GRESER&LENZ; FOTOS RÜCKSEITE 32: GETTY IMAGES (2)/COMPASSIONATE EYE FOUNDATION/MARTIN BARRAUD/OJO IMAGES LTD, PRINT COLLECTOR/KONTRIBUTOR P E R S P E K T V E N I 0 1 _ 2 0 2 3 KARIKATUR 31