Die Arbeitskräftelücke in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bleibt trotz der starken konjunkturellen Abkühlung auf hohem Niveau. Sie erreicht im März 2024 einen Wert von 244.400. Die Befragung von Unternehmen hat ergeben, dass für die Transformation in den Bereichen Digitalisierung und Klimaschutz der Bedarf an Fachkräften in MINT-Berufen in den kommenden Jahren stark zunehmen wird. Zugleich führt der demografische Wandel zu steigenden Ersatzbedarfen (aktuell scheiden jährlich 64.800 MINT-Akademikerinnen und MINT-Akademiker aus), während es am Nachwuchs in Ausbildung und Studium mangelt. Mittelfristig droht der inländische Nachwuchs weiter abzunehmen, da die Leistungen von Schülerinnen und Schülern in den PISA-Erhebungen in Mathematik stark sinken. Aus Sicht der Unternehmen sind Investitionen des Staates in das Bildungssystem der wichtigste Faktor (Wert 98 auf einer Skala von 0 (völlig unwichtig) bis 100 (unbedingt erforderlich), um die Transformation erfolgreich zu meistern.
Prof. Dr. Axel Plünnecke, Leiter Themencluster Bildung, Innovation und Migration am Institut der deutschen Wirtschaft Köln: „Die MINT-Lücke wäre heute noch deutlich höher, wenn in den letzten zehn Jahren nicht erste Erfolge zur MINT-Fachkräftesicherung bei Frauen, Älteren, Zugewanderten und bei der MINT-Bildung erreicht worden wären. Unter Zugewanderten ist die Beschäftigungsdynamik besonders groß – ohne Erfolge bei der Zuwanderung würden heute rund 442.000 MINT-Fachkräfte zusätzlich fehlen. Für die kommenden Jahre ist jedoch mit Rückgängen beim MINT-Nachwuchs zu rechnen. Die Erstsemesterquoten in MINT-Studiengängen sind von 2016 bis heute um 10 Prozent gesunken, der Anteil der leistungsstarken PISA-Schülerinnen und Schüler hat sich in den letzten 10 Jahren in Mathematik halbiert.“
Indra Hadeler, Geschäftsführerin Bildung und Internationale Beziehungen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall: „Die M+E-Industrie investiert pro Jahr über 109 Milliarden Euro in Innovationen, vor allem in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung. Jedoch wird bereits heute die Hälfte der Unternehmen der M+E-Industrie durch fehlende Fachkräfte darin gehemmt, das eigene Unternehmen im Bereich Digitalisierung besser aufzustellen. Zwar sind zuletzt die Ausbildungszahlen in den industriellen IT-Berufen wieder gestiegen, allerdings hat sich die Anzahl an Studienanfängerinnen und Studienanfängern in den Ingenieurswissenschaften und der Informatik im letzten Jahr um 10,5 Prozent verringert. Auch die Ergebnisse der PISA-Studie weisen darauf hin, dass immer weniger junge Menschen über ausreichende Kompetenzen in Mathematik und Naturwissenschaft verfügen und sich daher in MINT-Berufen schwertun. Das trübt die Aussichten für die Digitalisierung der Wirtschaft und macht deutlich, dass der Stärkung des Schulsystems Priorität eingeräumt werden muss.“
Christina Ramb, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der BDA: „Fehlende MINT Arbeits- und Fachkräfte sind ein zentrales Hemmnis für Unternehmen. Speziell für die Entwicklung klimafreundlicher Produkte und Technologien erwartet ein Großteil der Betriebe einen steigenden Bedarf an IT-Expertinnen und Experten, an Ingenieurinnen und Ingenieuren und an beruflich qualifizierten MINT-Fachkräften. Ohne entsprechendes Know-How werden wir die anstehenden Herausforderungen nicht bewältigen können. Hinzu kommt: Allein um altersbedingte Abgänge zu kompensieren, brauchen wir in Zukunft mehr akademisch und beruflich qualifizierte MINT-Fachkräfte. Zielgerichtete Investitionen des Staates, insbesondere in die frühe Bildung und schulische Bildung, sind daher ein wichtiger Faktor, um die Transformation bewältigen und gestalten zu können. Zudem muss es uns besser gelingen, vorhandene Potenziale für den deutschen Arbeitsmarkt zu sichern. Dies gilt insbesondere bei ausländischen MINT-Studierenden, die wir unbedingt im Land halten müssen.“
Prof. Dr. Christoph Meinel, Vorstandsvorsitzender von MINT Zukunft schaffen: „Wir müssen die MINT-Kompetenzen in den Schulen stärken. Die im MINT-Herbstreport durchgeführten Analysen zu den PISA-Ergebnissen zeigen, dass eine geringere Bildungsnähe im Elternhaus und ein (zu) viele Stunden pro Tag umfassender Konsum digitaler Medien mit geringeren PISA-Ergebnissen einhergehen. Bessere Ergebnisse wurden erreicht, wenn die Schulen die Kinder zum Beispiel durch digitalen Unterricht gut während der Schulschließungen unterstützen konnten. Positiv wirkt sich vor allem aus, wenn die Schulen eine positive Einstellung zum Mathematik-Unterricht und eine gute Lernatmosphäre schaffen können. Wichtig ist es daher, digitale Bildung und MINT, vor allem Mathematik an den Schulen zu stärken.“
Edith Wolf und Prof. Dr. Carsten Busch, Vorstände des Nationalen MINT Forums: „Wir brauchen in Deutschland dringend mehr gut ausgebildete MINT-Fachkräfte, um wichtige Transformationsprozesse erfolgreich zu gestalten. Dafür ist es entscheidend, dass wir auf mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem hinarbeiten und junge Menschen frühzeitig für MINT begeistern, um den seit langem sinkenden schulischen Leistungen in den MINT-Disziplinen entgegenzuwirken. Hier ist das Startchancenprogramm ein erster wichtiger Schritt. Wir begrüßen hier die Idee der Einbindung von außerschulischen MINT-Lernorten, da die Schulen alleine die Probleme nicht werden lösen können. MINT-Lernorte sind in der Lage, mit innovativer Projektarbeit die Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebenswirklichkeit besonders im Ganztag zu erreichen. Die Sicherung der MINT-Lehrkräftebasis und mehr Berufs- und Studienorientierung sind weitere wichtige politische Maßnahmen, die durch ein gemeinsames Vorgehen auf Bundes- sowie auf Landesebene umgesetzt werden sollten.“
Über den MINT-Report
Der MINT-Report wird zweimal jährlich vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erstellt. Die Studie entsteht im Auftrag folgender Mitglieder des Nationalen MINT Forums: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Arbeitgeberverband Gesamtmetall und MINT Zukunft schaffen.