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Entgeltgleichheit

Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie sind in der Metall- und Elektro-Industrie der Anker für eine faire Bezahlung. Für Tarifverträge gilt in Deutschland die sogenannte Angemessenheitsvermutung, wonach Tarifverträge den Gleichheitsgrundsatz einhalten. Das erfolgreiche deutsche Modell des Flächentarifvertrages ermöglicht, dass die Tarifvertragsparteien branchenspezifische und praxisgerechte Kompromisse zu Fragen der Entlohnungsgrundsätze finden. Dies schließt als Kernaufgaben auch die Definition von Tätigkeiten, die Bemessung ihres Wertes und der Entgelthöhe ein.

Entgeltgleichheit (Equal Pay) / Foto © AdobeStock/Robert Kneschke
Foto: AdobeStock/Robert-Kneschke

So verwirklicht das Entgeltrahmenabkommen (ERA) der M+E-Industrie die geschlechtsneutrale Vergütung bereits unabhängig vom deutschen Entgelttransparenzgesetz und der neuen EU-Entgelttransparenz-Richtlinie: Sie bewerten Tätigkeiten personenunabhängig. Das heißt, die Bewertung erfolgt geschlechtsneutral und anhand objektiver arbeitswissenschaftlicher Kriterien, wie zum Beispiel anhand der für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse. Außerdem geben sie eine verbindliche Einstufung von Arbeitsaufgaben und die Eingruppierung von Beschäftigten vor und haben für die Beseitigung von Fehlern bei der Eingruppierung eigenständige und wirksame Mechanismen.

Die neue EU-Entgelttransparenz-Richtlinie untergräbt die Autonomie der Sozialpartner, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und das Subsidiaritätsprinzip. Gesamtmetall hat dies immer wieder kritisiert. Jetzt ist die Richtlinie – nachdem sich im März 2023 auch das Europäische Parlament darauf verständigt hatte – in Kraft. Die EU-Mitgliedstaaten sind angehalten, die Vorgaben innerhalb von drei Jahren umsetzen. Die neue Richtlinie sieht umfangreiche Verpflichtungen vor, die für Arbeitgeber einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand bedeuten, da grundsätzlich alle Arbeitgeber – unabhängig von der Beschäftigtenanzahl – vom regulären Auskunftsanspruch und Auskunftsanspruch vor Beginn der Beschäftigung erfasst sein werden. In Zeiten von Strukturwandel, Fachkräftemangel, Energiekrise und Lieferkettenproblemen sind diese zusätzlichen Verpflichtungen Gift für den Industriestandort Deutschland.

Den sogenannten „Gender-Pay-Gap“, von dem ja bekannt ist, dass für seine Existenz vor allem strukturelle Unterschiede verantwortlich sind, können jedoch auch Entgelttransparenz- und Quotenregelungen nicht schließen.

Nicht nur der Jahr für Jahr ausgerufene „Equal-Pay-Day“, auch die meisten politischen Vorhaben von Frauenquoten bis zur Offenlegung von Gehaltsstrukturen basieren auf der unablässig verbreiteten Behauptung, wonach Frauen bei gleicher Arbeit deutlich weniger verdienen als Männer. Im Jahr 2022 lag dieser unbereinigte „Gender-Pay-Gap“ bei 18 Prozent und ist im Vergleich zu den Vorjahren sogar gesunken.

Aber worauf basiert diese Aussage?

Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt. Es ermittelt den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer und stellt ihn dem Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmerinnen gegenüber. Diese Berechnung ergibt den Unterschied von aktuell 18 Prozent. Allerdings: Diese unbereinigte Berechnung ist kein Indikator für mögliche Diskriminierung, denn er vergleicht eben gerade nicht vergleichbare Tätigkeiten miteinander. Der Großteil der unbereinigten Differenz lässt sich auf strukturelle Unterschiede zurückführen, betonten die Statistiker bereits 2017: „Die wichtigsten Gründe für die Differenzen der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste waren Unterschiede in den Branchen und Berufen, in denen Frauen und Männer tätig sind, sowie ungleich verteilte Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation. Darüber hinaus sind Frauen häufiger als Männer teilzeit- oder geringfügig beschäftigt.“

Auch einer IW-Studie zufolge „bilden Unterschiede in der Verteilung von Frauen und Männern auf die Wirtschaftszweige (und damit auch die Berufswahl), die Berufserfahrung und die damit einhergehenden kindbedingten Erwerbspausen sowie geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung von Führungsverantwortung die wesentlichen Ursachen für den Gender Pay Gap.“ Es verbleibt also eine bereinigte Entgeltlücke, die bei rund 7 Prozent liegt.

Zentral ist also vor allem das Berufswahlverhalten. Frauen entscheiden sich – trotz aller massiven Werbung für den Einstieg – nach wie vor ganz überwiegend gegen technische Berufe. Nur in Ostdeutschland waren auch technische Berufe üblich, dort sind auch beispielsweise die Verfügbarkeit und die gesellschaftliche Akzeptanz von frühzeitiger, ganztägiger Kinderbetreuung eine andere – das mag zu einem guten Teil erklären, warum die unbereinigte Lücke im Osten deutlich kleiner ist als im Westen.

In der Metall- und Elektro-Industrie liegt der Anteil der Frauen konstant bei rund 21 Prozent, der weibliche Anteil an Auszubildenden in den technischen M+E-Berufen bei lediglich 8 Prozent. In der Liste der beliebtesten Ausbildungsberufe finden sich bei Männern regelmäßig M+E-Berufe auf den Top-Plätzen. Bei Frauen kommt der erste technische M+E-Beruf unter ferner liefen. Ähnliches gilt für den Frauenanteil bei Studienanfängern in den MINT-Fächern. Trotz aller objektiven Vorteile – Arbeitszeit, Aufstiegsmöglichkeiten, Verdienst, flexible Arbeitszeitmodelle – entscheiden sich junge Frauen weiterhin für andere Branchen und Fächer. Auffällig ist auch, dass rund 70 Prozent der Teilzeit-Beschäftigten Frauen sind, während es bei Vollzeit nur 16 Prozent sind.

Aber auch der Rest bleibt nicht eindeutig erklärbar und ist nur eingeschränkt als Gradmesser von Diskriminierung zu sehen. Unterschiedliche Persönlichkeitseigenschaften bei individuellen Gehaltsverhandlungen scheinen eine größere Rolle zu spielen, hinzu kommen besondere Ausreißer (trotz gleicher Arbeit verdienen Erstliga-Spieler beim Fußball im Durchschnitt das zigfache von Erstliga-Spielerinnen). Klar ist aber: Tatsächliche Diskriminierung ist nicht akzeptabel – und nach geltenden Gesetzen bereits verboten. Und die Tarifverträge – in der M+E-Industrie etwa – sind mit ihren Entgeltgruppen transparent, vergleichbar und machen selbstverständlich keinerlei Unterschied nach Geschlecht. Über die Einstufung entscheiden dabei sogar die Betriebsräte mit.

Wenn wirklich etwas bewegt werden soll, müssen die tatsächlich entscheidenden Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Gesellschaft, Eltern, Berufsberater und junge Frauen selber sollten daher sehr viel selbstverständlicher als bisher auf die technischen Berufsfelder schauen. Die Lücke durch Auszeiten wird sich nicht völlig schließen lassen, weil es immer einen Anteil an Beschäftigten geben wird, der Auszeiten nehmen oder der mit Kind nur noch eine Teilzeitstelle haben möchte.

Das dringendste Handlungsfeld der Politik muss aber darin liegen, dass solche Auszeiten ausschließlich freiwillig erfolgen – und nicht mehr erzwungenermaßen, weil es keine verlässlichen und passenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt.