Psychische Erkrankungen sind ernste Beeinträchtigungen, die rasch und umfassend behandelt werden müssen. Deshalb ist es gut, dass diese Leiden inzwischen auch als solche erkannt werden. Die Betroffenen müssen um Hilfe suchen dürfen, damit Familie, Freunde und – bei der Arbeit – Kollegen und Vorgesetzte bei seelischen Problemen ebenso selbstverständlich helfen wie bei körperlichen.
Bei den immer wiederkehrenden öffentlichen Debatten steht jedoch, wie auch die Diskussion um Stress am Arbeitsplatz zeigt, regelmäßig allein die Arbeit im Fokus. Aber: Bei vielen Menschen stärkt Arbeit die Gesundheit, denn Berufstätigkeit schafft Selbstbestätigung und Anerkennung. Experten bestätigen: Es gibt nicht mehr Erkrankte als früher – heute wird nur häufiger die treffende Diagnose gestellt. Außerdem wird offener über diese Art von Krankheiten gesprochen als in der Vergangenheit. Vorfälle im Privatleben sind ein wesentlicher Auslöser von psychischen Erkrankungen. Und: Die hohe Zahl der Ausfalltage erklärt sich vornehmlich damit, dass Arbeitnehmer heute oft monatelang auf Behandlungstermine warten müssen und entsprechend lang krankgeschrieben sind.
Keine Frage, die Arbeitswelt ist im Wandel. Jede Erkrankung ist eine zu viel. Aber wer, wenn nicht die Betriebe sind an der psychischen Gesundheit ihrer Beschäftigten interessiert. Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel sind gesunde und motivierte Mitarbeiter wichtiger denn je. Die von der IG Metall vorgeschlagene Anti-Stress-Verordnung ist aber der falsche Weg, der reflexartige Ruf nach dem Gesetzgeber hilft keinem weiter.
Entscheidend sind Eigenverantwortung, ein offener Umgang miteinander und, wenn erforderlich, rasche Hilfe. Hier können Firmenleitung und Betriebsräte aktiv nach Lösungen suchen. Die Forschung kann durch bislang fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse ihren Teil dazu beitragen, Gefährdungen besser beurteilen zu können. Mit dem im Mai 2017 abgeschlossenen, mehrjährigen Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zur wissenschaftlichen Standortbestimmung wurde ein erster Schritt gemacht. Auch ein effektiveres und effizienteres Gesundheitswesen hilft, Erkrankungen besser zu erkennen und zu behandeln.