Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf übt in der Südwest Presse harsche Kritik an zu viel staatlicher Regulierung, welche die Probleme des Landes verschärft haben:
Herr Wolf, die IG Metall fordert für ihre Beschäftigten ein Lohn- und Gehaltsplus von sieben Prozent. Insbesondere der Autoindustrie geht es aber nicht gut.
Es ist das alte Problem. Die Metall- und Elektrobranche wurde jahrzehntelang dominiert von starken Autobauern und gesunden Zulieferern, die so hohe Forderungen verkrafteten, im Gegensatz zu den mittelständischen und kleinen Unternehmen, die schon in guten Jahren damit kaum mithalten konnten. Jetzt schwächelt die gesamte Branche, weil die Autoindustrie nicht so recht weiß, mit welcher Geschwindigkeit es in welche Richtung gehen soll. Die Folge ist, dass die kleinen Unternehmen mit dem Rücken zur Wand stehen. Familienbetriebe gehen gerade kaputt.
Welche Rolle spielt die Politik?
In vielen Bereichen war es staatliche Regulierung, die die Probleme verschärft hat. Raus aus der Atomkraft, Abkehr von Kohle- und Gaskraftwerken und das Warten auf grünen Strom haben dazu geführt, dass die Kosten für Energie so hoch sind wie kaum irgendwo sonst. Statt die Bürokratie abzubauen, wird sie aufgebläht. Das Lieferkettensorgfaltsgesetz ist ein weiteres furchtbares Beispiel dafür. Es kostet Geld ohne Ende, löst kein Problem und wirkt dann noch zerstörerisch kontraproduktiv.
Sie kritisieren auch das Lieferkettensorgfaltsgesetz. Warum?
Das sieht schön aus und ist gut gemeint, aber es wird nichts bringen. Das ist so klassisch deutsch, dass wir glauben, wenn wir ein Gesetz erlassen, können wir die Welt verbessern.
Wie bewerten Sie die Arbeit der aktuellen Bundesregierung in diesem Kontext?
Christian Lindner, FDP-Parteichef und Finanzminister, ein guter Freund von mir, hält den Laden so gut es geht noch zusammen, was ihm schwerfällt, allein schon wegen des Bürgergeldes und des Ausuferns des Sozialstaats. Aber die Grünen sind mir zu dogmatisch. Dass sie bei der Sonntagsumfrage nur bei etwa zehn Prozent liegen, ist die Quittung dafür.
Gibt es aus Ihrer Sicht positive Beispiele in der Politik?
Eine Ausnahme ist nach meiner Ansicht Winfried Kretschmann. Er fährt eine andere Politik, deswegen stehen die Grünen in Baden-Württemberg auch deutlich besser als im Bund.
Sie sehen den beschlossenen Verbrenner-Ausstieg kritisch. Können Sie das näher erläutern?
Ja, ich halte den Verbrenner-Ausstieg für einen großen Fehler. China, USA und Indien sind für rund die Hälfte des CO₂-Ausstoßes verantwortlich. Wenn wir von knapp zwei Prozent auf 1,8 Prozent kommen, dabei aber unsere Wirtschaft zerstören, das ist ein Witz.
Wie stehen Sie zum Elektroauto?
Vom Elektroauto bin ich nicht begeistert. Kürzlich bin ich von Tecklenburg nach Bad Urach gefahren: 510 Kilometer. Die reine Fahrtzeit betrug etwa fünf Stunden, hinzu kam die Ladezeit an diversen nicht überdachten Ladestationen. Also nochmal zwei Stunden und 50 Minuten, übrigens im strömenden Regen, da wurde man klatschnass. So kann die Verkehrswende nicht gelingen, zumal kaum Strom und schon gar nicht grüner Strom für 49 Millionen Autos vorhanden sein dürfte. So viele sind aber derzeit in Deutschland angemeldet.
Wie sehen Sie die wirtschaftliche Stimmung in anderen Ländern im Vergleich zu Deutschland?
In anderen Ländern, etwa in Indien, herrscht Aufbruchstimmung. Wir hier sind vielleicht alle schon etwas zu satt. Erschwerend kommt hinzu, dass der deutsche Staat ein Grundmisstrauen gegen Unternehmer hegt. Ein Beispiel ist der sonntägliche Krimi. Im Tatort sind Unternehmer und Manager die mit Abstand häufigsten Straftäter. Man fragt sich, ist das Absicht? Der Wirklichkeit entspricht es jedenfalls nicht.
Welche Erwartungen haben Sie an die bestehende Regierung?
Zu große Hoffnungen in die bestehende Regierung habe ich nicht. Hubertus Heil (SPD) entpuppt sich zunehmend als schwieriger Klassenkämpfer, Robert Habeck (Grüne) ist nach dem missglückten Heizungsgesetz in Dogmatik abgestürzt. Er ist gar nicht mehr zugänglich. Eine Ausnahme ist allerdings Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD), das ist ein guter und pragmatischer Minister.